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Irak: Schwere Vorwürfe gegen Militärmediziner

Ärzte der US-Armee waren laut einem Pressebericht in die Misshandlungen irakischer Gefangener im Gefängnis von Abu Ghraib verwickelt. Mediziner hätten daran mitgewirkt, körperliche und psychologische Methoden für Zwangsverhöre zu entwickeln.

Dies berichtete die medizinische Fachzeitschrift „The Lancet“ im Voraus aus ihrer Samstagausgabe unter Berufung auf Regierungsdokumente. Auch hätten Ärzte falsche Totenscheine und Patientenunterlagen ausgestellt und notwendige ärztliche Hilfe verweigert. Das absichtliche Unterlassen der medizinischen Behandlung von Gefangenen durch Ärzte stelle einen Verstoß gegen das Kriegsrecht dar, erklärte das Internationale Komitee vom Roten Kreuz (IKRK) in einer ersten Reaktion.

Das angesehene Fachblatt berief sich auf Regierungsdokumente sowie beeidigte Aussagen von Soldaten und Häftlingen. Demnach wählte medizinisches Armeepersonal die Häftlinge zum Verhör aus und stellte den Vernehmern ärztliche Untersuchungsberichte zur Verfügung, um die Verhörmethoden darauf abzustimmen. In einem Fall habe ein Arzt einem zu Tode gequälten Häftling noch einen Katheter gelegt, um vorzutäuschen, dass dieser bei der Einlieferung ins Krankenhaus noch gelebt habe, berichtete das Blatt. Ein anderes Mal sei ein Gefangener zunächst bis zur Bewusstlosigkeit gefoltert worden. Ärzte hätten ihn dann wieder zu Bewusstsein gebracht, woraufhin der Gefangene weiter misshandelt worden sei.

Ein Chirurg habe einem irakischen General einen natürlichen Tod bescheinigt, nachdem dessen Kopf in einen Schlafsack gesteckt worden sei und sich seine Peiniger auf seinen Brustkorb gesetzt hätten. Sechs Monate später habe das US-Verteidigungsministerium dann einen Totenschein veröffentlicht, in dem die Todesursache mit „Tötung durch Ersticken“ angegeben wurde, hieß es in dem „Lancet“-Bericht. Ein Gefangener habe unter Eid ausgesagt, seine bei Folterungen erlittene eiternde Wunde an der Hand sei nicht von Ärzten behandelt worden.

Gerügt wurde in dem Bericht zudem, dass die Armeeärzte die Folterfälle in Abu Ghraib nicht ihren Vorgesetzten meldeten. In Einzelfällen hätten Mediziner nach Zeugenaussagen offenbar auch selbst zu Misshandlungen gegriffen: So habe ein Arzt einen medizinisch nicht ausgebildeten Wächter die Wunde eines Häftlings nähen lassen. Sowohl im Irak als auch in Afghanistan seien Totenscheine gefälscht oder erst nach Monaten vollständig ausgefüllt worden. Die berichteten Vorfälle widersprächen nicht nur sämtlichen ethischen Idealen des Ärztestandes, viele von ihnen seien auch „schwere Verstöße gegen internationales und US-Recht“, resümierte der Autor.

IKRK-Sprecher Florian Westphal sagte in Genf, es gebe „absolut keinen Zweifel“ daran, dass die Genfer Konventionen und andere Menschenrechtsregelungen jede Form von Misshandlungen und Folterungen an Gefangenen untersagten. Die Betreiber von Gefängnissen hätten die klare Verpflichtung, die Gefangenen ausreichend medizinisch zu betreuen. Ein Verstoß dagegen verletze die Konventionen. Westphal machte keine Angaben darüber, ob das IKRK bei seinen Gefangenenbesuchen im Irak seit vergangenem Jahr Hinweise auf das Fehlverhalten von Ärzten sammelte.

Der Folter-Skandal in Abu Ghraib hatte weltweit für Empörung gesorgt. Bilder zeigten, wie US-Soldaten Gefangene nackt zu demütigenden Posen zwangen und fotografierten. Inhaftierte wurden auch geschlagen und sexuell misshandelt.

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