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Irak: Schwere Unruhen nach Anschlag

Ein Bombenanschlag hat im Irak eines der bedeutendsten schiitischen Heiligtümer zerstört und schwere Unruhen ausgelöst. Präsident Talabani rief zur Ruhe auf. 

Der von Extremisten in der Goldenen Moschee in Samarra platzierte Sprengsatz zerstörte Mittwoch früh die Kuppel und sprengte die Mosaikfassade der berühmten Pilgerstätte. Im ganzen Land protestierten zehntausende Gläubige gegen den Terror. Nach sunnitischen Angaben wurden landesweit rund dreißig sunnitische Moscheen angegriffen. In Bagdad wurden sechs Sunniten getötet. Der höchste schiitische Würdenträger des Irak, Ayatollah Ali Sistani, mahnte zur Ruhe. International wurde der Anschlag auf das Mausoleum verurteilt.

Nach Angaben von Sicherheitskräften waren am Dienstagabend vier bewaffnete Männer in das Mausoleum eingedrungen, das die Schreine der Imame Ali al Hadi und Hassan al Askari in Samarra aus dem 9. Jahrhundert beherbergt. Sie überwältigten die wachhabenden Polizisten und legten zwei Sprengsätze, die gegen 07.00 Uhr explodierten. Das rund 1.200 Jahre alte architektonische Meisterwerk wurde schwer beschädigt. Luftaufnahmen des US-Militärs zeigten das Ausmaß der Schäden: Die Explosion reduzierte die zwischen zwei Minaretten aufragende Kuppel auf Mauerreste, aus denen Stahlträger herausragten.

Nach dem Sprengstoffanschlag gingen zehntausende Schiiten im ganzen Land erzürnt auf die Straßen. „Ihr entkommt uns nicht“, schrien wütende Bewohner Samarras nach den Explosionen. Vorbeter forderten „Tod für Amerika, das uns den Terrorismus gebracht hat“. In Bagdad riefen Imame in den Schiitenvierteln Sadr City und Kasimiya mehrere tausend Gläubigen auf, die „kriminelle Tat“ zu verurteilen. Viele Geschäfte schlossen, aus Lautsprechern ertönten Koransuren. In Kirkuk riefen die Demonstranten die Gläubigen in Samarra auf, die Urheber des Anschlags „auszuliefern, damit sie gerichtet werden können“.

Aus dem Innenministerium verlautete, dass Unbekannte acht sunnitische Moscheen in Bagdad angegriffen hätten. Ein Büro der sunnitischen Islamischen Partei im Süden der Hauptstadt wurde nach Angaben der Polizei in Brand gesteckt. Zudem töteten Unbekannte in zwei Moscheen in Bagdad insgesamt sechs Sunniten, unter ihnen drei Imame. Auch in den Schiitenstädten Kut, Nassiriya und Basra sowie in Najaf und Kerbala demonstrierten tausende Gläubige ihre Wut. Adnan al-Dulaimi, einer der führenden sunnitischen Vertreter des Landes, forderte die Regierung auf, Ausgangssperren zu erlassen, um Sunniten zu schützen. Das Verteidigungsministerium teilte mit, es erwäge die Stationierung von Truppen in Bagdad, um Zusammenstöße zwischen den Gemeinschaften zu verhindern.

Ayatollah Sistani habe seine Landsleute aufgefordert, mit friedlichen Mitteln gegen den Anschlag zu protestieren, sagte einer seiner Mitarbeiter in Najaf. Sistani habe es seinen Anhängern vor allem untersagt, als Vergeltung für den Anschlag sunnitische Moscheen oder Kultstätten anzugreifen. Auch der radikale Schiitenführer Moktada al Sadr, der vor allem bei jungen Leuten in Bagdad großen Einfluss hat, rief zur Ruhe auf, wie der Fernsehsender Al Irakiya berichtete. Ein Sprecher Al Sadrs drohte allerdings mit Rache. Wenn die Regierung die Menschen nicht verteidige, werde die Miliz dies übernehmen, sagte er. In Bagdad übernahmen Kämpfer der Gruppe mit Maschinengewehren die Kontrolle über Sadr City.

Auch Präsident Jalal Talabani rief die Bevölkerung auf, „ruhig Blut und Einheit zu bewahren, um die abscheulichen Pläne der Takfiris (extremistischer Sunniten) zu durchkreuzen“. Regierungschef Ibrahim Jaafari rief eine dreitägige Staatstrauer aus. Er forderte, es dürfe den Attentätern nicht gelingen, „die Einheit des Landes zu zerstören“. Sicherheitsberater Muaffak al Rubai sah das Terrornetzwerk Al Kaida von Osama bin Laden hinter dem Angriff.

Der Sprecher von US-Präsident George W. Bush, Scott McClellan, nannte die Tat „feige“. Der britische Außenminister Jack Straw sprach von einem „offensichtlichen und verabscheuungswürdigen Versuch von Terroristen“, innerhalb der Bevölkerung für Streit zu sorgen und die Bildung einer neuen irakischen Regierung zu stören. Diese Tat zeige, dass die Terroristen vor nichts Halt machten und auf nichts Rücksicht nähmen, hieß es in einer am Mittwoch verbreiteten Erklärung vom US-Botschafter im Irak, Zalmay Khalilzad.

Bei weiteren Gewalttaten kamen im Irak am Mittwoch mindestens acht Menschen ums Leben. Unbekannte erschossen in Mukatdiya, 110 Kilometer nordöstlich von Bagdad, vier Leibwächter eines Richters, der den Anschlag selbst unverletzt überlebte. In Bakuba, 60 Kilometer nördlich von Bagdad, erschossen Aufständische zwei Polizisten auf dem Weg zur Arbeit. Eine Bombe, die vor einem Geschäft in Iskanderiya, 40 Kilometer südlich von Bagdad, explodierte, tötete zwei Iraker und verletzte vier.

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