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Irak - Kein Frieden in Sicht

Es war wieder einmal ein schwarzer Tag für die US-Armee im Irak: Bei einem Bombenanschlag auf die jordanische Botschaft wurden am Donnerstag mindestens elf Menschen getötet.

In einer der wichtigsten Geschäftsstraßen der irakischen Hauptstadt wurden US-Truppen erneut in ein Feuergefecht verwickelt, und das Militär musste bekannt geben, dass zwei weitere US-Soldaten bei einem Überfall getötet worden waren – sie waren das 54. und 55. Todesopfer der US-Armee seit dem offiziellen Kriegsende im Irak.

Am Freitag ist es hundert Tage her, dass US-Präsident George W. Bush symbolträchtig auf dem Flugzeugträger „USS Abraham Lincoln“ das Ende der „größeren Kampfoperationen“ verkündete. Statt der „Kampfphase“ werde nun die „Wiederaufbauphase“ beginnen, versprach Bush bei seinem Auftritt am 1. Mai. Doch hundert Tage später hat er nur eine magere Bilanz vorzuweisen: Von Frieden, Stabilität und Demokratisierung ist der Irak weit entfernt.

Als ihre größten Erfolge kann die Bush-Regierung noch die Einrichtung des vorläufigen irakischen „Regierungsrates“ und den Tod der beiden Söhne des Ex-Machthabers Saddam Hussein verbuchen. Beides wurde entsprechend ausgeschlachtet. Doch die großen Ziele im Irak sind bis heute nicht erreicht: Saddam Hussein bleibt weiter unauffindbar. Hin und wieder lässt die US-Armee durchsickern, sie sei dem Ex-Präsidenten dicht auf den Fersen – gefasst hat sie ihn nicht.

Von den angeblichen irakischen Massenvernichtungswaffen ist dagegen nur noch im Zusammenhang mit aufgebauschten Geheimdienstberichten die Rede. Kurz nach dem Einmarsch der US-geführten Koalition im Irak wurden noch regelmäßig Funde gemeldet – die sich allesamt als falsch herausstellten. Mittlerweile ist dies kein Thema der Streitkräfte mehr.

Denn die US-Armee hat alle Hände voll zu tun, die Sicherheitslage in den Griff zu bekommen. Jeden Tag werden US-Soldaten im Irak überfallen. Mitte Juli räumte das US-Militär erstmals ein, dass Truppen in einen Guerilla-Krieg verwickelt sind. Bis dahin hatte Washington diesen Begriff tunlichst vermieden, der in den USA mit der traumatischen Erfahrung des Vietnam-Debakels verhaftet ist. Weder durch Razzien noch durch die Einbindung irakischer Polizisten oder den Tod der Saddam-Hussein-Söhne konnte die US-Armee die Gefahr für ihre Soldaten mindern.

Auch die irakische Bevölkerung brachte die US-Armee nicht auf ihre Seite. Oberbefehlshaber Ricardo Sanchez hält eher das Gegenteil für richtig: Es gebe „vielfache Anzeichen“ dafür, dass „unser Vorgehen der eisernen Hand die Iraker zu entfremden begonnen“ habe, sagte er der „New York Times“. In Zukunft würden seine Truppen bei Razzien etwas rücksichtsvoller mit den Menschen umgehen und nicht gleich die Türen einschlagen.

Die irakische Zivilbevölkerung sieht sich ohnehin allein gelassen. Nur jeder dritte Iraker glaubt, dass die US-geführte Koalition dem Land nach Saddam eine bessere Zukunft bringen kann, wie eine Umfrage des Irakischen Zentrums für Forschung und Strategie ergab. Ebensoviele halten das für unwahrscheinlich. Und jeweils 18 Prozent gaben an, sie hätten dazu keine Meinung oder es sei zu früh für ein Urteil.

Vor allem die prekäre Sicherheitslage im Land macht der Bevölkerung zu schaffen. Aus Bagdad wird von Entführungen auf offener Straße berichtet. Autodiebstahl, Vergewaltigung und Raubmord gehören zur Tagesordnung. Die USA sehen in den rund 100.000 Ex-Häftlingen, die Saddam in einer Generalamnestie im Oktober freigelassen hatte, das Hauptproblem. Als Gegenmaßnahme soll die Zahl der irakischen Polizisten von derzeit 30.000 auf 75.000 mehr als verdoppelt werden. Doch die genießen in der Bevölkerung kein Vertrauen. Schließlich diente ein großer Teil von ihnen schon Saddam.

Bush hält trotz aller Schwierigkeiten an der Schlüsselrolle des Irak fest. „Ein freies und friedliches Irak ist unabdingbar für die Stabilität des Nahen Ostens und ein stabiler Naher Osten ist unabdingbar für die Sicherheit des amerikanischen Volkes“, betonte er am 30. Juli. Bisher ist die US-Armee nicht in der Lage, ihre eigenen Angehörigen zu schützen.

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