Und so blieb bis zuletzt geheim, wo in Bagdad der irakische Ex-Präsident am Donnerstag erstmals seinem Richter vorgeführt wurde. Die Verlesung von Anklagepunkten wurde zwar gefilmt, aber nicht live ausgestrahlt: Die Bilder wurden zuerst in aller Sorgfalt gesichtet, bevor sie veröffentlicht wurden, wie Justizmitarbeiter sagten. Später ging den internationalen Fernsehsendern eine Sequenz zu, in der Saddam Hussein zwar in sehr gepflegtem Aufzug zu sehen war – der Ton aber war abgedreht.
Was aus dem Hochsicherheitsgerichtssaal am Donnerstag heraussickerte, bestätigte die Erwartungen: Saddam Hussein habe sich geweigert, die Anklageschrift zu unterschreiben, berichteten Augenzeugen. Das Verfahren gegen ihn habe er als Theater abgetan. Der wahre Schurke sei US-Präsident George W. Bush, der den Prozess für seine Wiederwahl bei der Präsidentschaftswahl im November nutzen wolle. Den Einmarsch in Kuwait 1990 verteidigte Saddam Hussein den Augenzeugen zufolge mit den Worten: Kuwait ist ein irakisches Gebiet. Es war keine Invasion. Er sei nach Kuwait zurückgekehrt, weil die Kuwaiter irakische Frauen für zehn Dinar gekauft haben.
Saddam Hussein werde seinen Prozess in eine Polit-Show a la Milosevic umzuwandeln versuchen, ahnte der irakische Sicherheitsbeauftragte Muaffak el Rubai schon vor einigen Tagen. Aber das werden wir nicht zulassen. Was Saddam Hussein wörtlich gesagt hat, war zunächst nicht zu überprüfen. Zu sehen war ein Saddam Hussein, der ganz offensichtlich die entwürdigenden Bilder von seiner Festnahme in einem Erdloch nahe seiner Heimatstadt Tikrit im Dezember wettzumachen versuchte. War er damals mit wirrem Haar, wucherndem Bart und zermürbtem Gesicht der Weltöffentlichkeit vorgeführt worden, trat er jetzt elegant in grau-schwarzem Anzug, akkurat geschnittenem schwarzem Haar und gestutztem Bart vor den Richter.
Seine Thesen vertrat der 67-Jährige dem Augenschein nach nachdrücklich, aber mit demonstrativer Ruhe. Ich bin der Präsident der irakischen Republik, und ich bin Iraker, betonte der gestürzte Ex-Präsident den Anwesenden zufolge bei der rund 30-minütigen Anhörung mehrfach. Sieben Anklagepunkte wegen Verbrechen gegen die Menschlichkeit liegen gegen den ehemaligen Schreckensherrscher vor, die sich unter anderem auf den Krieg gegen Iran (1980-1988), den Einmarsch in Kuwait, Massentötungen von Aufständischen nach der Schiiten-Rebellion 1991 sowie den Einsatz von Giftgas gegen die kurdische Bevölkerung in Halabdscha 1988 beziehen. Mit dem eigentlichen Prozessbeginn wird in einigen Monaten gerechnet. Dem Ex-Präsidenten droht die Todesstrafe.
In der Bevölkerung wird der Prozess mit gemischten Gefühlen beobachtet. Viele Iraker wünschen dem langjährigen Machthaber den Tod. In Bagdad gingen am Donnerstag etwa hundert Menschen auf die Straße, die Opfer des früheren Regimes geworden waren und das Verfahren jetzt unterstützen wollen. Andere Stimmen fordern dagegen einen nationalen Versöhnungskongress anstelle des Prozesses.
Angesichts der noch immer zahlreichen Anhänger des Ex-Präsidenten trafen die irakischen Behörden strengste Sicherheitsvorkehrungen. Saddam Hussein wurde per Hubschrauber zum Prozessort geflogen und in einem gepanzerten Bus vorgefahren. Handschellen und Ketten wurden ihm erst unmittelbar vor dem Gerichtssaal abgenommen. Bei den Filmaufnahmen ist nur Saddam Hussein voll zu sehen, der Richter wurde allenfalls von der Seite gezeigt.