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Irak-Geheimdienstberichte unbrauchbar

Das Geheimdienstmaterial über die angeblichen Massenvernichtungswaffen war nach Ansicht von UN-Chefinspektor Hans Blix weitgehend unbrauchbar.

„Wir haben zahlreiche Anlagen im Irak untersucht, die uns von Geheimdiensten genannt wurden. Nur in drei davon fanden wir überhaupt etwas, und auch das hatte nichts mit Massenvernichtungswaffen zu tun“, sagte er am Donnerstagabend dem britischen Sender BBC. Dabei habe die US-Regierung zugesagt, die besten Geheimdienstinformationen weiterzugeben.

„Wenn das das Beste war, und wir haben nichts gefunden – was war dann erst mit ihren restlichen Informationen?“, fragte Blix, der dem Weltsicherheitsrat am Donnerstag seinen letzten Bericht vorgelegt hatte. Dabei hatte er erneut die Bereitschaft seines Teams bekräftigt, die Waffenkontrollen wieder aufzunehmen. Die internationale Glaubwürdigkeit britischer und amerikanischer Experten könne nie so hoch sein wie die der UN-Inspektoren. Blix tritt am 30. Juni in den Ruhestand.

Am Freitag reisten UN-Atomwaffenexperten nach Bagdad, um Berichte über Plünderungen in der größten irakischen Atomanlage Tuwaitha zu überprüfen. Irakische Wissenschaftler berichteten am Donnerstag, Uran und anderes radioaktives Material sei lose über das ganze Gelände verteilt. Sie hätten es mit Zement versiegelt, um die Menschen im Umkreis vor weiterer Strahlung zu schützen. Plünderer hätten die Fässer, in denen das Uran gelagert wurde, einfach ausgekippt, um sie mitzunehmen.

Die UN-Experten der Internationalen Atomenergiebehörde (IAEA) hatten die Vorräte radioaktiven Materials in Tuwaitha bis zu Beginn des Krieges überwacht. Das Pentagon betonte, ihre Rückkehr nach Tuwaitha sei eine einmalige Aktion im Rahmen des Atomwaffensperrvertrags, keine Waffeninspektion.

US-Verteidigungsminister Donald Rumsfeld verteidigte am Donnerstag die Entscheidung, die Bildung einer irakischen Interimsverwaltung zu verschieben. Beim Übergang zur Demokratie dürfe man nichts überstürzen, sonst drohe ein Rückfall in die Diktatur wie im Deutschland der 30er Jahre. „Auch Adolf Hitler wurde gewählt“, sagte Rumsfeld in Washington. Der künftige irakische Staat solle respektvoll gegenüber den Minderheiten im Land sein und seine Nachbarstaaten nicht bedrohen. Dies sei „nicht in fünf Minuten“ zu erreichen, sagte Rumsfeld.

Heftige Kritik rief die Anordnung der US-Zivilverwaltung zur Entwaffnung fast aller irakischen Milizen hervor. Einer der wichtigsten Schiitenführer kündigte in einem Interview des Nachrichtenmagazins „Der Spiegel“ Widerstand an. „Selbstverständlich werden wir weiterhin leichte Waffen führen““, sagte Ayatollah Mohammed Bakir el Hakim, der Vorsitzende des Obersten Rates der Islamischen Revolution im Irak. Insbesondere der Beschluss, die irakischen Kurden von der Entwaffnung auszunehmen, empört die Schiiten. „Amerika ist parteiisch“, kritisierte El Hakim die Sonderregelung für die Kriegsverbündeten der US-Streitkräfte.

In der Nähe von Bagdad wurden US-Soldaten am Freitag erneut Ziel eines Angriffs. In der Ortschaft Khaldija 70 Kilometer westlich der Hauptstadt fielen Granaten und Schüsse auf zwei Militärfahrzeuge, dabei wurde aber niemand verletzt.

Unterdessen soll sich angeblich Jordanien bereit erklärt haben, neun Familienangehörigen des ehemaligen irakischen Außenministers und Vizepremiers Tarek Aziz Asyl zu gewähren. Die US-Regierung habe Jordanien gebeten, die Familie aufzunehmen, nachdem Aziz den Amerikanern „wertvolle Informationen“ gegeben habe, berichtete die in London erscheinende Zeitung „Al-Sharq Al-Awsat“ am Freitag. Aziz werde von der US-Armee im Irak festgehalten. Er sei an seinem Haftort mehrfach von Angehörigen besucht worden, die dem gesundheitlich angegriffenen früheren stellvertretenden Ministerpräsidenten auch Medikamente gebracht hätten.

Der arabische TV-Sender Al Jazeera berichtete unterdessen, in der südirakischen Stadt Basra habe die Zahl der politisch motivierten Morde in den vergangenen Tagen zugenommen. Am Donnerstag hätten Unbekannte Scheich Ali el Saadun, einen bekannten Stammesführer, erschossen. Zuvor sei das Haus einer Baath-Funktionärin angezündet worden. Ein ehemaliger Mitarbeiter des Geheimdienstes in Basra sei ebenfalls einem Attentat zum Opfer gefallen.

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