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Irak: Flut brutaler Bilder und Videos

Vor laufender Kamera wird ein 26-jähriger Amerikaner von maskierten Männern enthauptet. US-Soldaten posieren hinter einer Pyramide nackter Iraker. Der Irak-Krieg schockiert mit Bildern, die Erniedrigung, aber auch Wut und den Ruf nach Rache auslösen.

Die Schrecken des Krieges haben sich schon immer in Bildern kristallisiert. Der sterbende Soldat im spanischen Bürgerkrieg von Robert Capa (1936), das vor einem Napalm-Angriff in Vietnam fliehende Mädchen (1973). Sie wurden zu Ikonen für die Brutalität von Kriegen, letzteres zum Appell: Setzt dem brutalen Krieg in Südasien ein Ende.

Die jüngsten Bilder von misshandelten irakischen Soldaten, das unscharfe Video von der Hinrichtung eines 26-jährigen Amerikaners, sie können im Internet immer wieder angeschaut werden. Was bezwecken die „Urheber“, die Gefängniswärter in Abu Ghraib oder die vermummten „Henker“ mit ihren grauenhaften Bildern?

Ziel von Folterung soll das „Weichklopfen“ von Häftlingen sein, damit sie im Verhör über ihre Komplizen, über ihre Taktik und über andere für die Kriegführung wichtige Angaben Auskunft geben. Der Zweck heilige die Mittel, geben die Folterer und ihre Kommandanten vor, um ihr den Menschenrechten spottendes Tun zu rechtfertigen.

Psychologen sehen ganz andere Motive für die Qualen, die dem Opfer zugefügt werden: Bei der Folter gehe es um die Erniedrigung, um die Zerstörung von Seele und Körper, sagte Brigitte Ambühl©Braun vom Ambulatorium für Folter- und Kriegsopfer des Roten Kreuzes in Bern in einem Gespräch mit der Nachrichtenagentur sda.

Doch auch die Mörder des 26-jährigen Amerikaners haben mit der Veröffentlichung der Dokumentation des Grauens ähnliche Ziele: Mit der Ermordung vor laufender Kamera wollen sie dem Westen seine Hilflosigkeit vorführen im Kampf gegen Extremisten, die zu allem bereit sind.

Die Auswirkungen solcher Bilder, so glaubt Therapieleiterin Ambühl, dürften beim Publikum psychische Prozess auslösen, die sie auch bei den Folteropfern beobachte, die im Berner Zentrum für Folteropfer behandelt würden.

„Wenn ich diese Bilder anschaue bin ich genauso hilflos.“ Man erlebe in diesem Moment Ähnliches wie die Opfer. Eine Mischung von Angst, Faszination und „Grausen“ erfasse dann das Publikum. Einige würden wegschauen, andere die Bilder in einer Art “Übererregung“ immer wieder äußerst genau ansehen, da die Grenzerfahrung berühre.

Diese Bewältigungsstrategie kann im Internet nachverfolgt werden. Das gewaltige Interesse am Hinrichtungsvideo führte etwa bei einem malaysischen Webserver zum Kollaps. Gleichzeitig schossen im Internet Diskussionsgruppen wie Pilze aus dem Boden, welche die unscharfen Bilder minutiös analysierten.

Ob nun das Exekutions-Video oder die Fotos von Misshandlungen irakischer Häftlinge, sie werden auf Bildschirmen oder in Zeitungen zu kollektiven Folterinstrumenten, eingesetzt im „Krieg der Zivilisationen“ oder im „Kampf gegen Juden und Kreuzfahrer“.

Die Iraker sollen durch die Bilder ihrer von US-Soldaten gedemütigten Landsleute eingeschüchtert, gedemütigt werden. Dem westlichen Publikum soll mit der kaltblütigen Zurschaustellung des Tötungsaktes eingebrannt werden, dass jeder überall Opfer der brutalen „Rächer des Islam“ sein kann.

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