In dem am Mittwoch vorgelegten Bericht der US-Expertengruppe wird Präsident George W. Bush aufgefordert, mit dem Abzug der Kampftruppen zu beginnen und Länder wie den Iran und Syrien in die Lösung des Konflikts einzubinden.
Bush sprach von einer sehr schonungslose Einschätzung der Lage im Irak und kündigte an, die Vorschläge sehr ernsthaft zu prüfen. Der Irak-Krieg lässt sich nach Einschätzung des britischen Premierministers Tony Blair derzeit nicht gewinnen. Er teilte damit die Ansicht des designierten US-Verteidigungsministers Robert Gates.
In unseren wichtigsten Empfehlungen fordern wir neue und verbesserte diplomatische und politische Bemühungen im Irak und der Region sowie einen Wandel der Hauptaufgabe der US-Kräfte im Irak, um es den Vereinigten Staaten zu ermöglichen, mit dem Abzug ihrer Kampftruppen aus dem Irak zu beginnen, heißt es in dem Bericht der nach dem früheren US-Außenminister James Baker benannten Kommission. Die Lage im Irak sei schwierig und verschlechtere sich weiter. Wenn dies so weitergehe, könnte das Land ins Chaos abrutschen. Dann werde möglicherweise die Regierung zusammenbrechen.
Die Nachbarländer könnten eingreifen. Das weltweite Ansehen der USA könnte Schaden nehmen, erklärten die Mitglieder der auch als Iraq Study Group bezeichneten Kommission. Sie empfahl direkte Verhandlungen mit dem Iran und mit Syrien. Diese Empfehlung zähle zu den insgesamt 79 Anregungen, die im Bericht der Kommission enthalten seien, sagte Bushs Sprecher Tony Snow am Mittwoch kurz nach der Übergabe des Berichts.
Bush hatte den Bericht am Morgen im Weißen Haus in Empfang genommen. Er versicherte nach dem Treffen mit den Kommissionsmitgliedern, jeder Vorschlag werde ernst genommen. Bush sprach von einem Bericht, der einige wirklich sehr interessante Vorschläge enthält, und wir werden jeden Vorschlag ernst nehmen und rechtzeitig handeln. Auf konkrete Inhalte ging Bush nicht ein. Die paritätisch aus Republikanern und Demokraten besetzte Kommission wollte ihren Bericht um 17.00 Uhr (MEZ) dem Kongress vorlegen und der Öffentlichkeit vorstellen.
Blair schloss sich den Äußerungen des designierten US-Verteidigungsministers Gates an, der am Dienstag eine pessimistische Einschätzung der Lage im Irak geäußert hatte. Natürlich, sagte Blair im Londoner Unterhaus auf die Frage, ob er Gates Standpunkt teile. Er selbst habe im Juli gesagt, die Lage in Bagdad mit ihrer sektiererischen Gewalt und dem Blutvergießen sei entsetzlich. Wichtig sei jedoch, dass wir weitermachen, um die von uns selbst auferlegte Mission erfolgreich zu beenden.
Gates hatte bei der Anhörung im US-Senat die Frage, ob die USA dabei seien, den Krieg zu gewinnen, mit einem Nein beantwortet. Die derzeitige Situation im Irak sei nicht akzeptabel. Gates schlug damit einen anderen Ton an als US-Präsident Bush, der zuletzt immer wieder betont hatte, die USA würden bis zum Sieg im Irak kämpfen. Der künftige Pentagon-Chef übte deutliche Kritik an der bisherigen Kriegführung und zeigte sich offen für einen Kurswechsel in der Irak-Politik. Einen Militäreinsatz gegen Syrien, den Iran und Nordkorea lehnte er ab. Wir haben im Irak gesehen, dass ein Krieg, wenn er erst einmal begonnen ist, unberechenbar werden kann, sagte der designierte Minister. Der Senat sollte möglicherweise noch am Mittwoch über die Nachfolge des zurückgetretenen Donald Rumsfeld abstimmen.
Am Mittwoch wurden unterdessen bei mehreren Anschlägen im Land mindestens 17 Menschen getötet und Dutzende weitere verletzt. Acht Menschen starben, als ein Markt im Zentrum der Hauptstadt Bagdad mit Mörsern angegriffen wurde. Bei einem Selbstmordanschlag in einem Bus im Bagdader Schiiten-Viertel Sadr City wurden vier Iraker getötet. Auch der Stellvertreter des Al-Kaida-Anführers im Irak ist nach irakischen Angaben getötet worden. Irakische Sicherheitskräfte hätten die Nummer zwei des Terrornetzwerks, Abu Taha, vor einigen Tagen getötet, teilte der Nationale Sicherheitsberater Muaffak al-Rubaie am Mittwoch in Bagdad mit. Die Schlinge um den irakischen Al-Kaida-Chef Abu Hamza al-Muhajir alias Abu Ayyub al-Masri ziehe sich zu, fügte Rubaie hinzu. Mehrere Gefolgsleute des Gesuchten seien gefangen genommen worden. Genauere Angaben zu dem Einsatz gegen Taha machte er nicht.