Internationale Pressestimmen zur Einigung im Zollkonflikt

Ein Auszug von New York bis Klagenfurt.
"La Stampa" (Turin):
"Ein schlechtes Abkommen, das die Verhandlungsschwäche der Europäischen Union widerspiegelt, die zwar im Endergebnis einig ist, aber in ihren nationalen Interessen und Zielen sehr gespalten ist. Die idyllischen Landschaften sind voller Dornen. Man akzeptiert, dass ein arroganter Hegemon seine Bedingungen durchsetzt, die auf einem vermeintlich fairen Prinzip der Reziprozität beruhen, das aber nur sehr wenig mit Gegenseitigkeit zu tun hat. (...)
Der arrogante Hegemon zerstört auch das Regelwerk und die Prinzipien, die die Weltwirtschaft bisher bestimmt haben. Sind Institutionen wie die WTO (Welthandelsorganisation) und die Regeln des GATT (Allgemeines Zoll- und Handelsabkommen) überholt und ineffizient? Das mag sein, aber sie sollten überarbeitet und reformiert werden, nicht über den Haufen geworfen. In einer Welt ohne Regeln herrscht Unsicherheit. Wenn die Bedingungen der Welt von der Laune, der Stimmung und dem Ego eines einzigen Mannes abhängen, sind Vereinbarungen wenig wert.
Europa nimmt dies einfach hin. Es hat verhandelt, aber aufgrund seiner inneren Spaltung und aus Angst vor den Kosten eines Handelskrieges hat es nur wenig erreicht."
"Rzeczpospolita" (Warschau):
"Die Union war in dieser Angelegenheit nicht schutzlos. Sie hatte einen Plan zur Einführung eigener Zölle parat. Sie könnte auch strenge Beschränkungen für amerikanische Dienstleistungen einführen, bei denen Washington einen großen Überschuss im Handel mit Europa erwirtschaftet.
Von der Leyen hat jedoch, sicherlich nach Rücksprache mit den Staats- und Regierungschefs der führenden europäischen Länder, einen breiteren Ansatz gewählt. In diesem Herbst wird das Pentagon die militärische Präsenz der USA in Europa überprüfen. Es gibt auch Ungewissheit über die weitere Unterstützung der USA für die Ukraine. (...)
In dieser Situation müssen die wirtschaftlichen Interessen der Union in den Hintergrund treten. Die Sicherheit ist wichtiger. Und die wird Europa vorerst nicht ohne Amerika gewährleisten können. Und es hat gerade den Preis dafür gezahlt. Das war ein vernünftiger Schritt."
"Wall Street Journal" (New York City):
"Leider scheint der Deal nicht Amerikas größte Handelsprobleme mit Europa zu berücksichtigen, wie Digitalsteuern, Strafmaßnahmen gegen US-Technologieunternehmen und verkehrte Lebensmittelsicherheitsvorschriften wie Gentechnikbeschränkungen und das Verbot hormonbehandelten US-Rindfleischs. Das Abkommen verlangt von den Europäern auch keine höheren Medikamentenpreise, eine von Trumps langjährigen Beschwerden.
Trump scheint diese Ziele zugunsten seiner geliebten Zölle aufgegeben zu haben, die eine Steuererhöhung für US-Verbraucher und -Unternehmen darstellen, darunter auch für Arzneimittelimporte und -inhaltsstoffe. Die Amerikaner über die Zölle mehr für Medikamente zahlen zu lassen, ist eine seltsame Art, Europa für seine Preiskontrollen zu bestrafen, das zugleich von US-Arzneimittelinnovationen profitiert."
"Neue Zürcher Zeitung":
"Viele wichtige Details im Handelsabkommen zwischen den USA und der EU bleiben offen, und doch lässt sich das Gesamtbild schon jetzt erkennen: Dieser "Deal" ist einseitig. Die USA erhöhen ihre Zölle auf Güter aus Europa auf 15 Prozent. (...) Das Resultat spiegelt die derzeitigen Stärkeverhältnisse. Die USA sind weniger abhängig von Europa als umgekehrt. Sie verfügen dank ihren starken Unternehmen und über 340 Millionen Einwohnern über eine enorm große Binnenwirtschaft und sind weniger vom internationalen Handel abhängig als viele europäische Staaten. (...)
Manche amerikanische Beobachter sind schon lange der Meinung, dass in einem Handelskrieg nur China eine echte Gefahr für die Vereinigten Staaten darstellt, weil Peking mit Exportrestriktionen für seltene Erden etwa der amerikanischen Autobranche unmittelbar schaden kann. Europas Gegenzölle auf Güter im Wert von rund 100 Milliarden Euro wären zwar für manche Gliedstaaten und Unternehmen sehr schmerzhaft gewesen. Aber anders als Pekings Exportstopps könnten diese Maßnahmen der EU nicht Teile der Produktion in den USA lahmlegen."
"De Telegraaf" (Amsterdam):
"Erleichterung mit einem bitteren Beigeschmack: Die Amerikaner werden Einfuhrabgaben von 15 Prozent auf viele Waren aus der Europäischen Union erheben. Vor der Rückkehr von Donald Trump ins Weiße Haus waren es noch nicht einmal 5 Prozent.
Brüssel schlägt nicht mit Gegenzöllen zurück. Trump hatte den europäischen Ländern zuletzt einen gehörigen Schrecken eingejagt. Der "Dealmaker-in-Chief" drohte mit einem Zollsatz von 30 Prozent, falls bis zum 1. August keine Einigung erzielt würde. (...) Die meisten EU-Staaten hatten bereits in der letzten Woche grünes Licht für die 15 Prozent gegeben - nach Ansicht vieler europäischer Politiker ist das immer noch besser als eine Situation ohne Deal. (...)
EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen räumte ein, dass die Erhöhung auf 15 Prozent für manche Unternehmer ein schwerer Schlag ist. Zugleich betont sie, dass Brüssel bestrebt ist, neue Handelswege zu erschließen. Mit Indien, Indonesien und dem südamerikanischen Handelsblock Mercosur werden Freihandelsabkommen ausgearbeitet. Für die Niederlande als eine Logistik-Drehscheibe Europas kann dies wiederum viele neue Chancen mit sich bringen."
"The Irish Times" (Dublin):
"Die durchschnittlichen Zölle von 15 Prozent auf EU-Importe in die USA - eine zentrale Komponente der Übereinkunft - sind rund dreimal so hoch wie zu Beginn der Präsidentschaft von Donald Trump. Das wird auf beiden Seiten des Atlantiks wirtschaftliche Schäden verursachen. Was auch immer Trumps Vorwürfe gegen die EU in Bezug auf Importe aus den USA sein mögen, dieses Vorgehen bedeutet, dass die US-Verbraucher am Ende mehr bezahlen müssen und Europa darunter leiden wird.
Trump stellt das Abkommen, das auch Verpflichtungen der EU zum Kauf von US-Energie und militärischer Ausrüstung enthält, als einen Triumph dar. Tatsächlich hat er viel von dem bekommen, was er wollte. Die EU war in der Defensive - vielleicht weil sie von dem Wunsch getrieben war, dass die USA weiterhin die NATO und die Ukraine unterstützen. Sie war konfrontiert mit einem US-Präsidenten, der eine unerbittliche Zollpolitik verfolgt, die teils durch wirtschaftlichen Nationalismus, teils durch die Notwendigkeit motiviert ist, Geld für die US-Staatskasse zu beschaffen. Der wichtigste Gewinn für die EU - und für Irland - aus diesem Rahmenabkommen besteht darin, dass es das Risiko eines Handelskrieges vermeidet, der unvorhersehbare und gefährliche Folgen gehabt hätte."
"Kleine Zeitung" (Klagenfurt/Graz):
Dem von Trump geschwungenen "Zollhammer" hatte die EU ohnehin wenig entgegenzusetzen. Denn Europa braucht den US-Markt schlicht mehr als umgekehrt.