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Intelligente Stromnetze, die auch den „Gegenverkehr“ beherrschen  

Werner Neyer, Geschäftsführer von Vorarlberg Netz, erklärt im VN-Interview „Smart Grids“ und was die intelligenten Stromnetzte können.

Die Art und Weise, wie und wo Strom erzeugt wird, hat sich in den letzten Jahren grundlegend geändert. Während es früher vor allem große Kraftwerke mit sehr viele Leistung waren, die für die Stromerzeugung sorgten, gibt es heute mehr und mehr kleine und dezentrale Anlagen. Dazu kommt, dass die Ausnutzung von Sonnen- und Windenergie zu schnellen Leistungsspitzen und -abfällen im Netz sorgen kann. Dinge, die ein herkömmliches Stromnetz schnell überlasten können. Werner Neyer, Geschäftsführer von Vorarlberg Netz, erklärt im VN-Interview, warum die sogenannten „Smart Grids“, also intelligente Stromnetze, helfen, Antworten auf diese Herausforderungen an das Stromnetz zu finden.

Was ist ein Smart Grid und was kann es, was das normale Stromnetz nicht kann? Smart Grids sind aktive Netze, die durch Steuerungen und Regelungen mehr Energie verkehr kosteneffizient erlauben. Herkömmliche Stromnetze kann man vom Energiefluss wie Einbahnstraßen sehen, Smart Grids sind Netze, bei denen „Gegenverkehr“ herrschen wird. „Gegenverkehr“ bedeutet beispielsweise, wenn Photovoltaikenergie vom Kunden am Netzende in Gegenrichtung zurückfließt.

Wieso werden Smart Grids benötigt?
Smart Grids werden benötigt, um eine volkswirtschaftlich kostengünstige Lösung zur Integration von dezentralen Erzeugungsanlagen zu ermöglichen. Herkömmliche Netzverstärkungen durch Kabellegungen wären um ein Vielfaches teurer als diese Lösung, die in vielen Fällen das Problem auch lösen kann. Bytes statt Bagger ist hier die Devise.

Wie hoch sind die Umrüstkosten vom herkömmlichen Netz auf ein „Smart Grid“? Die Umrüstkosten werden durch die zukünftigen Anforderungen vorgegeben, besonders die Entwicklung der dezentralen Erzeugungsanlagen, aber auch durch die Verbreitung der Elektromobilität. Smart Grids entstehen durch Technisierung des Netzes, die auch Geld kostet und deshalb nur bei Rentabilität durchgeführt wird. Der Kostenanstieg für mehr Leistungsfähigkeit kann mit Smart Grids gedämpft werden. Falsch wäre, dass die Netze damit billiger werden.

Im Großen Walsertal ist bereits seit sieben Jahren eine Modellregion eingerichet. Wie bewährt sich diese?
Gut. Die Lösung im Großen Walsertal ist eine besonders innovative Variante eines Smart Grid für die kosteneffiziente Einbindung von Kleinwasserkraft, die seit der Inbetriebnahme 2012 für alle Beteiligten zufriedenstellend funktioniert.

Wird Vorarlberg mittel- und langfristig komplett auf Smart Grids umgestellt? Sind aktuell weitere Smart-Grid- Regionen in Planung?
Die Energiewende wird einen Totalumbau des Stromsys tems bewirken. Es wird mehr Intelligenz in alle Netze kommen, um die Kosten für den Netzbetrieb nicht ausufern zu lassen. Aktuell werden Erzeugungsanlagen intelligenter gemacht, bei der Elektromobilität gibt es auch schon erste intelligente Ladestationen, mit Speichern wird experimentiert. Letztlich werden sie für die Energiewende in einem Smart Grid flächendeckend zusammenarbeiten.

Immer mehr Haushalte werden auf „Smart Meter“ umgestellt und die beiden Begriffe werden oft verwechselt. Was ist der Unterschied zum Smart Grid?
Smart Meter sind intelligente Stromzähler beim Kunden, die helfen sollen, das Bewusstsein im Umgang mit der Energie zu sensibilisieren. Zusätzliche Funktionen wie flexible Tarife könnten hinzukommen. Smart Grid hingegen ist eine Ebene höher und meint eine intelligente Gesamtsteuerung von Stromnetz, Lasten, Erzeugern und Speichern.

Können Smart Meter und Smart Grid miteinander kommunizieren? Was bringt das?
Durchaus, mit entsprechender Datensicherheit. Der Smart Meter ist auch prädestiniert, im Smart Grid als letztes „Meldeglied“ des Netzbetreibers Richtung Kundenanlage zu wirken. Das wird derzeit erforscht und soll helfen, die Kosten für alle moderat zu halten.

Blackouts sind für viele Menschen ein Schreckgespenst der Stromvernetzung. Verschlimmern Smart Grids das Problem der gegenseitigen Abhängigkeit oder verbessern Sie die regionale Netzstabilität?
In Vorarlberg ist die Stromversorgung überdurchschnittlich sicher und zuverlässig. Die Illwerke-Kraftwerke im Montafon können bei einem Blackout binnen weniger Stunden eine Landesversorgung auch als Insel aufbauen. Das wird jährlich durch Simulationen geübt. Die hohe Verkabelungsrate in den Verteilernetzen bedeutet weniger Angriffsfläche bei den nun häufiger auftretenden Stürmen. Vermehrter Umstieg auf „Naturstrom,“ besonders Sonne und Wind, heißt aber auch mehr Wetterabhängigkeit bei der Erzeugung und damit weniger Verlässlichkeit. Smart Grids sollen nun helfen, dass der Strom trotzdem auch in Zukunft immer verfügbar ist.    

„Intelligenter“ Walser-Strom

Im Großen Walsertal ist die Energiezukunft schon da. Seit acht Jahren gibt es dort ein Smart Grid.
Die Revolution in den Stromnetzen findet im Verborgenen statt – und im idyllischen. Denn das erste vollfunktionale Smart-Grid-Stromnetz Vorarlbergs tut seit Jahren im Biosphärenpark Großes Walsertal seinen Dienst. Für die Stromversorgung im Walsertal ist der „intelligente“ Strom ein Muss. Denn auf den sonnigen Berghängen gibt es besonders viele Photovoltaikanlagen und die vielen Zuflüsse der Lutz speisen zahlreiche Kleinwasserkraftwerke. Das sorgt aber für eine asymetrische Stromerzeugung. Im Winter, wenn die Sonne nur kurz scheint und die Flüsse weniger Wasser führen, ist der Stromverbrauch besonders hoch. Das ist der Höhenlage und auch den Touristen geschuldet, die zu diesem Zeitpunkt das Tal gehäuft besuchen. Anders schaut es aber im Frühjahr und Sommer aus: dann sorgen erst die Schneeschmelze und danach die langen sonnigen Tage für eine Stromüberproduktion. Dabei wird viel Strompotenzial aktuell noch nicht einmal genutzt.

Smart statt Ausbau
Es muss also im Winter Strom ins Tal gebracht und im Frühjahr und Sommer aus dem Tal heraustransportiert werden: die Kapazität der herkömmlichen Leitungen ist allerdings erschöpft. In der Vergangenheit hätte man, um auf diese Diskrepanz zu reagieren, zusätzlich Leitungen verlegen müssen: Das ist teuer und, bei Oberlandleitungen, auch nicht besonders schön. Smart Grids bieten hier eine weit bessere Lösung. Das intelligente Walser Stromnetz kann nämlich bereits auf geringste Spannungsschwankungen reagieren: dann werden die Kraftwerksleistungen so geregelt, dass die Spannung konstant bleibt und das Netz weiterhin stabil und verlässlich Strom liefert. Zudem ermöglichen die smarten Leitungen, dass das beträchtliche Potenzial zur Stromerzeugung im Großen Walsertal noch stärker genutzt werden kann. So können weitere Schritte in Richtung Energieautonomie gesetzt werden.

Energie sparen
Neben der Stromerzeugung ist im Großen Walsertal aber auch das Energiesparen angesagt. Die Walser Energiemeisterschaften wurden zuletzt mit dem VN-Klimaschutzpreis ausgezeichnet. Zuletzt gewann man auch die Energiemeisterschaft 2014/15. In zwei Jahren konnten die Teilnehmer 100.000 kWh einsparen, das entspricht neun Prozent des ursprünglichen Energieverbrauchs.  

Letzte Chance auf Teilnahme  

Energieexkursion nach Salzburg am 20. Oktober 2015. Anmeldungen sind noch bis heute, 6. Oktober, möglich.
Am 20. Oktober veranstalten die VN in Kooperation mit den illwerke vkw eine Energieexkursion nach Salzburg. In der Modellgemeinde Köstendorf und der „smarten“ Wohnanlage „Rosa Zukunft“ in Salzburg hat das dortige Energieunternehmen Smart-Grid- und Smart- Meter-Anwendungen umgesetzt. Experten und Fachjournalisten reisen von der ganzen Welt an, um sich in Salzburg vor Ort zu informieren. Unter fachkundiger Betreuung können sich die Teilnehmer überzeugen, wie „smarte“ Anwendungen das alltägliche Leben und den Umgang mit Energie verändern. Experten aus Salzburg und Vorarlberg werden dabei sein und das Thema näher beleuchten. Werner Neyer, GF von Vorarlberg Netz, wird zudem die Smart-Grid-Modellregion Großes Walsertal vorstellen und für Fragen zur Verfügung stehen.

Programm und Kosten der Exkursion Dienstag, 20. Oktober 2015:
Zugfahrt ÖBB erste Klasse
Abfahrt: Bregenz 5.30 Uhr, Dornbirn 5.35 Uhr, Feldkirch 5.55 Uhr, Bludenz 6.10 Uhr Rückfahrt: ab Salzburg 17.56 Uhr
Programm:
11.00 Uhr:
Begrüßung und Einführung durch Michael Strebl (GF Salzburg Netz) Information Smart-Grids-Modellregion Großes Walsertal: Werner Neyer (GF Vorarlberger Energienetze)
11.30 Uhr: Führung durch Köstendorf
13.00 Uhr: gemeinsames Mittagessen
14.30 Uhr: Abfahrt nach Salzburg/Mustersiedlung Rosa Zukunft
15.00 Uhr: Präsentation mit Besichtigung Energiezentrale
16.00 Uhr: Diskussionsrunde
Kosten: 155 Euro inkl. Bahnfahrten 1. Klasse mit Frühstück, Transfers, Mittagessen und Programm
Anmeldung (bis heute 6. Oktober) bei Theresa Kalb, Tel. 05572 501 306, theresa.kalb@russmedia.com

Die Serie „Energie für unser Leben“ ist eine redaktionell unabhängige Serie der VN mit Unterstützung von illwerke vkw.

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