Manchmal ist das Leben ein langer, ruhiger Fluss, der dann doch irgendwo zwischen Quelle und Meer versickert: In diesem Fluss lässt sich Llewyn Davis treiben, der Protagonist des neuen Coen-Brüder-Films “Inside Llewyn Davis”. Ziellos zieht er im New York des Jahres 1961 seine Kreise von einer Freundescouch zur anderen, seinem Traum nachhängend, als Folksänger zu reüssieren. Dicht und humorvoll präsentiert sich der Eröffnungsfilm der heurigen Viennale, der am 6. Dezember in den heimischen Kinos anlaufen soll.
Inside Llewyn Davis: Inhalt zum Film
Llewyn Davis (Oscar Isaacs) steht als Sänger mit seiner einsamen Gitarre an der Schwelle der Erfolgswelle des Folks, auf der Bob Dylan später zu Erfolgen schwimmen sollte. Aber eben nur an der Schwelle. Entsprechend wenig Geld hat er zur Verfügung, sieht sich mit dem Problem konfrontiert, dass Jean (Carey Mulligan), die Frau seines Freundes Jim Berkey (Justin Timberlake), von ihm schwanger sein könnte und er mit dem roten Kater eines seiner Gastgeber durch New York ziehen muss. Llewyn ist ein Versager, ohne jedoch ein Loser zu sein.
Llewyn ist und wird gleich am Beginn niedergeschlagen und zieht mit phlegmatischer Melancholie durch ein Zeitgemälde, das von einer Personage bevölkert wird, die in Hipsterzeiten erstaunlich vertraut wird. Belebt wird dieses Kolorit immer wieder durch lange Folknummern, für die sich die Musikfreunde Joel und Ethan Coen ausgiebig Zeit nehmen.
Llewyn singt nicht mehr den Heile-Welt-Sound des alten Folk, sondern nimmt bereits Drama und Krise in seine Texte auf, womit später Dylan reüssieren sollte. Diese Folkdominanz im Film funktioniert, selbst wenn man mit der schnarrenden Musikrichtung ansonsten nichts anfangen kann. Einzig Justin Timberlake hat schlicht keine Folkstimme und sieht im 60er-Jahre-Pulli mit angeklebtem Bart zu sehr aus wie ein Maat auf Landgang.
Kritik zum Kinofilm
Die Coens beweisen auch in “Inside Llewyn Davis” ein Herz für Außenseiter, die nicht aufgeben wollen. So lassen sie ihren Protagonisten kurzfristig auch in Chicago sein Glück versuchen. Dahin reist er, um Geld zu sparen, als Beifahrer des exzentrischen Jazzmusikers Roland Turner (gespielt von einem erwartbar herausragenden John Goodman) und seines cool-wortkargen Fahrers Garret Hedlund.
Diese Charakterstudie einer Woche im Leben des Llewyn Davis entblättern die Coens mit den ihnen eigenen langen Einstellungen von einsamen Schauplätzen, obgleich “Inside Llewyn Davis” ihr erster Stadtfilm seit langem ist. Auch die ausdrucksarmen Gesichter ihrer Charakterköpfe und allerlei skurrile Seitenfiguren bevölkern wieder die Szenerie, deren Humor diesesmal vielleicht etwas evidenter daherkommt. Lakonisch, trocken und doch zutiefst rührend – das klassische Rezept der Coen-Brüder geht bei “Inside Llewyn Davis” erneut auf.