AA

Indirekte Nahost-Gespräche durch Ostjerusalem-Streit gefährdet

Schon einen Tag nach der offiziell angekündigten Aufnahme indirekter Nahost-Gespräche ("proximity talks") unter Vermittlung der USA streiten Israelis und Palästinenser wieder über den israelischen Siedlungsbau in Ost-Jerusalem.

Israel will an seinen Bauprojekten für jüdische Siedler im arabischen Ostteil der Stadt festhalten. Der palästinensische Präsident Mahmoud Abbas appellierte am Montag an die US-Regierung, “auf die israelischen Akte zu reagieren”. Er habe von den USA das “Versprechen” und auch “Garantien”, dass die jüdische Kolonisierung des Westjordanlandes aufhören werde, sagte Abbas in Ramallah.

Ein ranghoher israelischer Vertreter, der nicht namentlich genannt werden wollte, hatte Israels Festhalten an den Siedlungsplänen im arabischen Ostjerusalem bekräftigt. Regierungschef Benjamin Netanyahu habe deutlich gemacht, dass die Bautätigkeit und Planung in Jerusalem “wie gewohnt” und wie unter den Vorgängerregierungen während der vergangenen 43 Jahre weitergehen werde. Ein zweijähriges Baumoratorium, wie in einer Erklärung des US-Außenministeriums angekündigt, werde es nicht geben, sagte der israelische Vertreter. Er bezog sich damit auf das umstrittene Projekt in Ramat Shlomo. Kabinettsminister Zvi Hauser sagte am Montag in Jerusalem, es werde noch ein paar Jahre dauern, bevor mit dem Bau des von den USA kritisierten Projekts tatsächlich begonnen werden könne. Regierungssprecher Mark Regev sagte, ein allgemeiner Baustopp komme nicht in Frage.

Der Sprecher des US-Außenministeriums, Philip Crowley, hatte am Sonntagabend in Washington erklärt, Netanyahu habe den USA zugesichert, dass es in Ramat Shlomo in den kommenden zwei Jahren keine Bautätigkeit geben werde. Die israelische Ankündigung, 1.600 weitere Wohnungen für Siedler in Ramat Shlomo zu bauen, hatte während des Besuches von US-Vizepräsident Joe Biden zu einer starken Verstimmung geführt. Der US-Nahost-Vermittler George Mitchell musste deswegen seine Bemühungen um indirekte Gespräche zwischen Israelis und Palästinensern um mehrere Wochen verschieben. Direkte Gespräche lehnen die Palästinenser ab, solange Israel einen Siedlungsstopp in den besetzten Gebieten verweigert. Israel hatte Ostjerusalem im Sechs-Tage-Krieg 1967 erobert und später ohne völkerrechtliche Wirksamkeit annektiert. Die Israelis betrachten ganz Jerusalem als ihre “ewige und unteilbare” Hauptstadt, die Palästinenser beanspruchen den Ostteil als ihre Hauptstadt.

Die den Gazastreifen kontrollierende radikale Hamas hatte die Zustimmung des PLO-Exekutivkomitees zu den indirekten Gesprächen am Sonntag als “Stich in den Rücken unseres Volkes” kritisiert. Die Gespräche würden nur als Deckmantel für die Fortsetzung des Siedlungsbaus dienen. Die Hamas steht außerhalb der PLO, die von der internationalen Gemeinschaft als legitime Vertretung des palästinensischen Volkes anerkannt wird. Die von der Fatah von Präsident Abbas gelenkte PLO ist völkerrechtlich der Vertragspartner Israels. Auch der israelische Vizepremier Dan Meridor hatte gegenüber der “Jerusalem Post” die Überzeugung ausgedrückt, dass die indirekten Gespräche “zu nichts führen werden”. Sie seien gescheitert, noch ehe sie begonnen hätten, weil jede Konfliktpartei bestrebt sei, “die Amerikaner auf ihre Seite zu ziehen”.

Der israelische Bürgerrechtsverband (ACRI) hat auf erhebliche Benachteiligungen der in Ostjerusalem lebenden Araber aufmerksam gemacht. Danach leben rund 65 Prozent der arabischen Familien in Ostjerusalem unter der Armutsgrenze, während davon im Westteil der Stadt nur rund 31 Prozent der jüdischen Familien betroffen sind. Mehr als 160.000 Menschen – das sind mehr als die Hälfte der rund 300.000 Araber im Ostteil der Stadt – haben keinen legalen oder brauchbaren Anschluss an die Wasserversorgung. Der Bürgerrechtsverband weist in seinem Bericht auch auf die Folgen der israelischen Siedlungspolitik hin. Danach hat Israel rund 24,5 Quadratkilometer Land im arabischen Ostteil enteignet. Für die jüdische Bevölkerung seien dort bis 2007 knapp 50.200 Wohneinheiten auf dem enteigneten Land gebaut worden; für die arabische Bevölkerung nicht eine einzige. Nach Angaben des UNO-Amtes für die Koordinierung humanitärer Angelegenheiten (OCHA) droht 60.000 Palästinensern der Verlust ihrer Wohnungen in Ostjerusalem, sollten entsprechende Beschlüsse der israelischen Gemeindeverwaltung umgesetzt werden.

  • VIENNA.AT
  • Politik
  • Indirekte Nahost-Gespräche durch Ostjerusalem-Streit gefährdet
  • Kommentare
    Kommentare
    Grund der Meldung
    • Werbung
    • Verstoß gegen Nutzungsbedingungen
    • Persönliche Daten veröffentlicht
    Noch 1000 Zeichen