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Indien ohne Touristenbrille

Hittisau -   Indien lässt sie nicht los. Irmgard Bilgeri aus Hittisau hat dort Frauenprojekte besucht.

Seither kocht sie ihren Tee wie die Inder ihren Chai: „Zucker karamelisieren lassen, dann mit Wasser aufgießen, mit Tee, Zimt, Nelken und Kardamom würzen, Milch dazu geben und drei Mal aufkochen lassen.“ Süß muss er sein. „In Indien kriegst du ihn überall als Begrüßungsgetränk.“ Auch in der ärmsten Hütte.

Ein Haus für Frauen

Wenn Irmgard Bilgeri ihren Chai trinkt, denkt sie an die Slums von Kalkutta. Dann kommt ihr Nupur in den Sinn, die als Brahmanin der höchsten Kaste angehört. Aber haben die Inder das Kastensystem nicht abgeschafft? Ein dünnes Lächeln spielt um Irmgards Lippen. Mit einer wegwerfenden Handbewegung fährt sie fort: „Die Regierung hat Nupur seinerzeit in die Slums geschickt um Standorte für Brunnen zu suchen.“ Nupur aber fand das Elend. Hängte ihren Job an den Nagel und blieb. „Sie hat das erste Frauenhaus gebaut.“ Frauen aus der untersten Stufe der Unberührbaren kommen dort unter. Die Katholische Frauenbewegung finanziert das Projekt. Wenn Irmgard Bilgeri die eigentümliche süße Schärfe des grünen Kardamom im Tee verkostet, sieht sie die Teepflückerinnen von Silchar in Assam wieder vor sich. Sie fährt in Gedanken noch einmal eine dreiviertel Stunde lang durch ein und denselben Teegarten, dessen Besitzer im fernen Dehli wohnt. Der Garten fasst 30 Dörfer. Deren Bewohner sich von früh bis spät mühen, die täglich geforderten 23 Kilo Tee zu pflücken. „Wer das Soll nicht erfüllt, darf anderntags nicht aufs Feld.“ Sklavenarbeit ist das. Die Katholische Frauenbewegung müht sich seit Jahren mit lokalen Partnern um erträgliche Arbeitsbedingungen. Denn die Inderinnen erdulden viel. Irmgard Bilgeri hat ihre Demut sehr bewundert. Deshalb lädt sie diesen Sonntag auch zum Suppentag ins Foyer des Ritter-von-Bergmann-Saales nach Hittisau. Deshalb wird Irmgard, deren Leben durch die Indienreise entscheidend verändert wurde, auch heute im Landhaus das Aschermittwochssüppchen mit ihren Eindrücken garnieren.

Zur Person

Irmgard Bilgeri Wollte nach ihrer beruflichen Zeit immer etwas total anderes tun und reiste 2009 nach Indien.
 Geboren: 3. August 1952 in Hittisau
Ausbildung: Kaufmännische Lehre
Laufbahn: 40 Jahre Buchhalterin, seit vielen Jahren in der Katholischen Frauenbewegung
Familie: verheiratet, drei Kinder

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