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Indien: 183 Tote in Bombay

Am Tag nach den Bombenanschlägen auf Pendlerzüge in der indischen Wirtschaftsmetropole Bombay haben sich die Ermittler auf die Suche nach den Drahtziehern konzentriert.

Die Ausführung der Anschläge und der vermutlich verwendete hochexplosive Plastiksprengstoff RDX deute auf die Kaschmir-Untergrundorganisation Lashkar-e-Taiba, sagte regionale Polizeichef P.S. Pasricha am Mittwoch. Bei den Anschlägen wurden am Dienstagabend nach seinen Angaben 183 Menschen getötet und 714 verletzt.

Offenbar waren die acht Bomben mit einem Zeitzünder versehen in der Gepäckablage der ersten Klasse platziert worden. Ein Sprecher von Laskhar-e-Taiba, Abdullah Ghaznavi, wies jede Beteiligung an dem Anschlag zurück und verurteilte diesen als „feigen Akt von Feinden der Menschheit”. Auch die zweite große Untergrundorganisation in Kaschmir, die Hezb-ul-Mujahedeen, verurteilten den Terrorakt. Die Rebellen kämpfen seit Jahrzehnten für eine Unabhängigkeit der von Moslems bewohnten Provinz, die zu zwei Dritteln zu Indien gehört. Aus Sicherheitskreisen verlautete, Lashkar-e-Taiba könnte den Anschlag gemeinsam mit der verbotenen islamischen Studentenbewegung Indiens (SIMI) durchgeführt haben.

Die indische Regierung hielt sich mit Beschuldigungen zurück. Ministerpräsident Manmohan Singh machte „Terroristen” für die Anschläge verantwortlich, ohne sich genauer zu äußern. Der Chef der mit der Untersuchung der Anschläge beauftragten Anti-Terror-Einheit, K.P. Raghuvanshi, sprach von einer „wichtigen Macht”, die „gut koordinierte und vorbereitete” Anschläge verübt habe, nannte aber ebenfalls keine Namen.

Ein Vertreter des indischen Außenministeriums sagte, die Anschlagsserie habe die Vernichtung des Friedensprozesses mit Pakistan zum Ziel. Indien werde jedoch an der Verbesserung der Beziehungen der beiden Länder festhalten. Der pakistanische Präsident Pervez Musharraf hatte die Anschläge schärfstens verurteilt, so wie zahlreiche andere ausländische Politiker. US-Präsident George W. Bush und die finnische EU-Ratspräsidentschaft betonten, es gebe keine Rechtfertigung für die Tötung unschuldiger Menschen. Der australische Ministerpräsident John Howard nannte die Tat „einen Anschlag auf den demokratischen Lebensstil”. Bundespräsident Heinz Fischer sprach von einem „feigen Akt des Terrorismus”.

Die Ermittler sammelten an den Anschlagsorten Materialien, um Aufschlüsse über die Vorgehensweise der Attentäter zu gewinnen. So wurde bei einem Bahnhof ein Zeitzünder entdeckt, und auch ein achter nicht explodierter Sprengsatz könnte weitere Aufschlüsse liefern. Von zwei Männern, die bei einer Bahn-Station vermutlich den Sprengsatz legten, wurden Phantombilder angefertigt.

Für die Hauptstadt Neu-Delhi und andere große Städte wurde die höchste Alarmstufe ausgerufen, auch wegen befürchteter Auseinandersetzungen zwischen Hindus und Moslems. Anfang 2002 brachen nach einem Brandanschlag auf einen Zug mit Hindus in Gujarat mit 58 Toten wochenlange Unruhen aus. 3.000 Menschen starben, die meisten davon Moslems.

Die erste von sieben Bomben explodierte um 18.20 Uhr (Ortszeit) im Bahnhof Bandra. In dichter Folge detonierten weitere Bomben an weiteren sechs Stationen der Western Railway. Die Anschläge sollten offenbar ein möglichst großes Blutbad in der von 16 Millionen Menschen bewohnten Großstadt anrichten, die schon mehrfach Ziel schwerer Bombenanschläge war – 1993 starben bei einer Anschlagsserie 250 Menschen.

Der Terrorexperte Claude Moniquet sieht in dieser Vorgangsweise die Handschrift des Terrornetzwerks Al Kaida, die sich bei den Anschlägen von Madrid im März 2004 mit 191 Toten und im Juli 2005 in London mit 52 Todesopfern gezeigt habe. Auch dort wurden fast zeitgleich mehrere dicht besetzte Züge bzw. Busse in die Luft gejagt.

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