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In Wien-Favoriten geborener Soziologe Leopold Rosenmayr 91-jährig verstorben

Der Wiener Soziologe Leopold Rosenmayr ist am Freitag verstorben.
Der Wiener Soziologe Leopold Rosenmayr ist am Freitag verstorben. ©APA
Der in Wien-Favoriten geborene Soziologe Leopold Rosenmayr ist im Alter von 91 Jahren am Freitag verstorben. Sein wissenschaftliche Lebenswerk stand im Zeichen des Nachdenkens über Altern, Jugend und Generationskonflikte. Seine Forschungsarbeit und das gesellschaftliche Engagement wurden geprägt von Kriegserlebnissen in Kindheit und Jugend.

Nicht zuletzt die Konfrontation mit ideologischer Indoktrinierung und Gewalt ließ Rosenmayr in der Nachkriegszeit nach einem wissenschaftlichen Verständnis von Politik suchen: Seine Kindheit war geprägt von den zunehmenden ideologischen Spannungen und dem beginnenden Bürgerkrieg – seine Eindrücke schrieb er in “Überwältigung 1938. Frühes Erlebnis, späte Deutung” (Böhlau Verlag) nieder.

Leben des Soziologen Leopold Rosenmayr

1943 wurde er als 18-Jähriger zum Kriegsdienst eingezogen, als Dolmetscher der Wehrmacht in Wien und Griechenland eingesetzt und verbrachte ein Jahr in Kriegsgefangenschaft im ehemaligen Jugoslawien. Wiederum waren seine Erlebnisse Anlass für sein späteres Werk “Im Krieg auf dem Balkan” (Böhlau Verlag).

Unter dem Eindruck dieser Kindheits- und Jugenderlebnisse begann er sein Studium der Philosophie und Soziologie an der Universität Wien, wo er 1949 promovierte. Danach zog es den Wiener ins Ausland: Zwei Jahre verbrachte er in Paris, zwei weitere in den Vereinigten Staaten.

1954 kehrte Rosenmayr schließlich nach Wien zurück, wo er sein wissenschaftliches Hauptaugenmerk wie bereits im Ausland mehr auf die Soziologe legte. Denn er wollte “Brücken zur Gesellschaft” schlagen und durch praxisorientierte Sozialstudien zum geistigen Wiederaufbau des Landes beitragen. Von seinen Auslandsaufenthalten brachte er dazu die Methoden moderner Sozialforschung nach Österreich.

Wissenschaftliche Arbeiten des gebürtigen Wieners

So arbeitete er erstmals in Österreich mit sozialwissenschaftlichen Mikrozensen, also statistischen Erhebungen der Bevölkerung, und konzipierte empirisch-soziale Feldinterviews in Kooperation mit Psychologie und Tiefenpsychologie. Mit der Gründung einer “Sozialwissenschaftlichen Forschungsstelle” an der Universität Wien 1954 war er entscheidend an der Wiederbelebung der empirischen Sozialforschung nach dem Zweiten Weltkrieg beteiligt.

1955 wurde er zunächst außerordentlicher, 1961 schließlich ordentlicher Professor für Soziologie und Sozialphilosophie an der Universität Wien. Nach ersten eigenen agrar- und forstwirtschaftlichen Versuchen auf einem niederösterreichischen Bergbauernhof entwickelte Rosenmayr sein Forschungsinteresse in Richtung ökosoziale Systeme in “Dritte Welt”-Ländern.

Das Leben fernab Wiens hatte Rosenmayr ohnehin nie ganz losgelassen. Er unternahm nun erste Reisen nach Südostasien, Japan, Lateinamerika und Ostafrika. Auch dort beschäftigte er sich mit seinen Schwerpunktthemen – Jugendforschung, Alterssoziologie und Generationenkonflikte sowie dem Kulturwandel in diesen Gesellschaften. Sein Interesse galt vor allem dem westafrikanischen Staat Mali. Dort lebte der begeisterte Bergsteiger teils auch lange mit der indigenen Bevölkerung.

“Alternsforscher der Nation”

Medial und öffentlich bekannt wurde er aber vor allem durch seine Arbeit in der Alternsforschung: Als die sozialwissenschaftliche Alternsforschung mit dem Ludwig Boltzmann-Institut für Sozialgerontologie und Lebenslaufforschung erstmals eine eigene Institution in Wien erhielt, wurde er 1980 deren Leiter, was ihm auch international Beachtung einbrachte.

1983 legte er sein Buch über die bis dahin unerforschten Kräfte des Alters (“Die späte Freiheit”) vor, es folgten “Die Kräfte des Alters” (1990) und “Altern im Lebenslauf” (1996). “Hoffnung statt Depression” lautete eine seiner Devisen für das Alter, gemeinsam mit dem Geriatrie-Experten Franz Böhmer veröffentlichte er 2003 auch das Buch “Hoffnung Alter – Forschung, Theorie, Praxis”. Darin setzten sich die Autoren mit den medizinischen und sozialen Herausforderungen des immer höheren Lebensalters der Menschen auseinander.

Als Mitglied der österreichischen Statistischen Zentralkommission, als Berater und Autor mehrerer Regierungsberichte hat der Wissenschafter immer wieder auch an gesellschaftspolitischen Entscheidungen mitgewirkt – so arbeitete er etwa an dem Wiener Bericht “Hilfe im Hohen Alter” oder am Altersbericht der Bundesregierung mit. 1990 wurde Rosenmayr zum wirklichen Mitglied der Österreichischen Akademie der Wissenschaften (ÖAW) berufen. 1995 emeritierte Rosenmayr, hielt aber weiter Lehrveranstaltungen.

Auszeichnungen für Wiener Wissenschaftler

2011 veröffentlichte er “Im Alter – noch einmal – leben”(LIT Verlag). Im erst 2015 erschienenen “Die Weisheit ist ein unruhiger Geist” (Böhlau Verlag) unternahm er eine eklektizistische Tour durch Religions- und Philosophiegeschichte.

Für seine Forschungen wurde der Wissenschafter vielfach ausgezeichnet: Unter anderem erhielt er das Österreichische Ehrenkreuz für Wissenschaft und Kunst 1. Klasse (1979), das Goldene Ehrenzeichen für Verdienste um das Land Wien 1985 sowie den Kardinal Innitzer Preis für Soziologie 2002. 2004 wurde ihm das Große Silberne Ehrenzeichen für Verdienste um die Republik Österreich verliehen. Anlässlich seines 90. Geburtstages im vergangenen Jahr ehrte ihn die ÖAW mit einem Festakt. Rosenmayr war Vater von vier Kindern.

(apa/red)

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