AA

"Impfpflicht" allein macht noch keinen "Impffrühling"

Mit einer Impfpflicht allein ist laut Experten die Gefahr noch nicht gebannt.
Mit einer Impfpflicht allein ist laut Experten die Gefahr noch nicht gebannt. ©APA/BARBARA GINDL
Ein "Impfpflicht" allein beseitigt noch nicht große Defizite im Impfschutz der gesamten Bevölkerung. Dazu benötigt man ein umfassendes Maßnahmenpaket, hieß es gestern beim Österreichischen Impftag in Wien.
Das ist neu im Impfplan 2020

Erst vor wenigen Tagen haben die deutschen Parlamentarier ein Quasi-"Impfpflichtgesetz" gegen die Masern - wegen des MMR-Impfstoffes laufen da gleich auch Mumps und Röteln mit - beschlossen. "Der Begriff Impfpflicht kommt aber im gesamten Gesetz nicht vor", erklärte Thomas Mertens, Vorsitzender der Ständigen deutschen Impfkommission (STIKO). "Im Gesetz geht es um die Nachweispflicht (einer mit zwei Teilimpfungen abgeschlossenen Masernimpfung; Anm.). Niemand wird von der Polizei vorgeführt und zwangsweise geimpft."

Deutschland: Nur 40% der Erwachsenen sind gegen Masern geimpft

Auch der betroffene Personenkreis ist in Deutschland eingeschränkt. Die Masern-Immunisierungs-Nachweispflicht trifft alle Kinder ab dem vollendeten ersten Lebensjahr beim Eintritt in die Schule oder den Kindergarten. Gleiches gilt für Personen, die in Gemeinschafts- oder medizinischen Einrichtungen tätig sind wie Erzieher, Lehrer, Tagespflegepersonen und medizinisches Personal (soweit diese Personen nach 1970 geboren sind). "Das ist eine politische Entscheidung. Das ist keine wissenschaftliche Entscheidung", stellte der deutsche Experte fest. Bei den Kindern habe sich in Deutschland die Schutzrate bei den Masern nämlich in den vergangenen Jahren eher erhöht.

An jene Bevölkerungsgruppen, wo es offenbar große Lücken beim Schutz gegen die Masern gibt, kommt man damit in Deutschland nicht heran. "Nur rund 40 Prozent der Erwachsenen sind (gegen die Masern; Anm.) geschützt. Wir haben in Deutschland erhebliche Impflücken bei den Jugendlichen und Erwachsenen", sagte Mertens. Als man in Deutschland Erwachsene befragte, warum sie sich nicht gegen die Masern immunisieren ließen, gaben zwischen 60 und 70 Prozent in den regelmäßigen Umfragen an: "Weil man mir's nicht gesagt hat."

Impfplicht im Gesundheitswesen

Gänzlich anders ist die Situation bei den Angehörigen der Gesundheitsberufe. Hier sind offenbar strikte Maßnahmen dringend notwendig. "In 13 Staaten Europas gibt es eine (von Land zu Land unterschiedliche; Anm.) Art von Impfpflicht für Beschäftigte im Gesundheitswesen", sagte die griechische Expertin Helena Maltezou. Sie sind wegen des Kontakts mit Kranken einem erhöhten Infektionsrisiko ausgesetzt. Gleichzeitig bleiben sie oft trotz Krankheit nicht zu Hause. Und drittens bergen sie für ihre Patienten und Betreuten selbst ein besonders hohes Ansteckungsrisiko.

"In Griechenland sind bis zu 36 Prozent des Gesundheitspersonals empfänglich für die Masern. In der Allgemeinbevölkerung erkranken um die fünf Prozent an Influenza, unter dem Gesundheitspersonal sind es laut einer Studie 18,7 Prozent. Mit einer Influenza geht die Hälfte der im Gesundheitswesen Beschäftigten 'aus Pflichtgefühl' trotzdem arbeiten. Aber das 'Pflichtgefühl', sich vor der Influenza-Saison gegen die Krankheit per Impfung schützen zu lassen, haben sie offenbar nicht", erklärte die Expertin.

Ärztekammer fordert Masern-Impfpflicht

In Österreich könnte sich beim Gesundheitspersonal in Zukunft durchaus etwas ändern. Der Oberste Sanitätsrat hat - wie am Impftag in Wien zu hören war - eine einstimmige Entscheidung gefällt, die einen verpflichtenden Nachweis des Impfschutzes vor Aufnahme einer Beschäftigung und bei Arbeit in Spitälern bzw. Gesundheitswesen sowie ein verpflichtendes ärztliches Impfgespräch für Eltern, die ihre Kinder vor Schulbesuch etc. nicht impfen lassen wollen, befürwortet.

Die Österreichische Ärztekammer fordert jedenfalls eine Masern-Impfpflicht. Die Strategie der vermehrten Information hätte nicht ausreichend gewirkt, sagte Kammerpräsident Thomas Szekeres in einem Eingangsstatement. Nicht hohe Strafen, aber der Vermerk im Mutter-Kind-Pass und die Koppelung der Höhe von Sozialleistungen an die von Kindern absolvierte Immunisierung seien zu fordern.

Impfgegner und -befürworter in Medien

Die in manchen Boulevardmedien und TV-Sendungen in möglichst publikumswirksamer, konfrontativer Weise aufgezogenen Diskussionen, in denen populäre Stars als Impfgegner auf weniger mediengeschulte Wissenschafter mit Pro-Argumenten treffen, hat der Mailänder Virologe Roberto Burioni in Italien höchst erfolgreich umgedreht. "Die Erde ist rund. Benzin ist entzündbar. Impfstoffe sind sicher und wirksam. Alles andere sind gefährliche Lügen", zitierte die deutsche Expertin Sabine Winkler (Universität Frankfurt) den Wissenschafter, der am Ende einer TV-Diskussion schnell und möglichst einfach seine "Message" bringen wollte. Er hat mittlerweile ein Millionenpublikum.

(APA/red)

  • VIENNA.AT
  • Wien
  • "Impfpflicht" allein macht noch keinen "Impffrühling"
  • Kommentare
    Kommentare
    Grund der Meldung
    • Werbung
    • Verstoß gegen Nutzungsbedingungen
    • Persönliche Daten veröffentlicht
    Noch 1000 Zeichen