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Autismus und Impfstoffe? Kennedy bringt widerlegte Thesen zurück in die Politik

Kontroverse um Autismus-Studie: Kritik an Kennedys Vorstoß wächst
Kontroverse um Autismus-Studie: Kritik an Kennedys Vorstoß wächst ©AFP
US-Minister Robert F. Kennedy Jr. kündigt eine umfassende Untersuchung zu den Ursachen von Autismus an. Forschende und Organisationen kritisieren die Pläne als wissenschaftlich fragwürdig.
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US-Gesundheitsminister Robert F. Kennedy Jr. kündigte eine groß angelegte Forschungsinitiative an, um bis September 2025 die Ursachen der sogenannten "Autismus-Epidemie" in den USA zu klären. "Wir wollen wissen, was die Autismus-Epidemie verursacht hat", sagte Kennedy laut DW in einer Kabinettssitzung.

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Anstieg an Diagnosen

Hintergrund ist der deutliche Anstieg der Diagnosen: Nach Angaben der US-Gesundheitsbehörde CDC wurde im Jahr 2020 bei etwa einem von 36 Kindern eine Autismus-Spektrum-Störung festgestellt – im Jahr 2000 war es noch eines von 150.

Fachwelt reagiert mit deutlicher Skepsis

Fachleute sehen die ambitionierten Ziele kritisch. "Nach Jahrzehnten intensiver Forschung ist es unrealistisch, in wenigen Monaten die Ursachen für Autismus zu finden", sagte Geoff Bird, kognitiver Neurowissenschafter an der Universität Oxford und dem University College London, gegenüber der DW.

Bird verweist auf den aktuellen Forschungsstand: Rund 80 Prozent der Fälle lassen sich mit genetischen Faktoren in Verbindung bringen. Trotzdem fehlen bis heute biologische Marker, die eine verlässliche Diagnose ermöglichen.

Diagnosen steigen – nicht nur wegen realer Zunahme

Ein wesentlicher Grund für die gestiegene Anzahl an Diagnosen sei die breitere Definition von Autismus. "Heute werden auch subtilere Symptome erkannt", so Bird. Auch das bessere Screening bei Mädchen und der gestiegene gesellschaftliche Fokus auf Neurodiversität führten zu mehr Diagnosen.

"Das öffentliche Bewusstsein spielt eine große Rolle", sagte Suzy Yardley von der Organisation Child Autism UK. Viele Menschen suchten gezielt nach einer Diagnose, wenn sie Auffälligkeiten bei sich selbst bemerkten.

Umweltfaktoren und Impfstoffe: Keine Belege für Zusammenhang

Vereinzelt wird weiterhin spekuliert, ob Umweltgifte oder Veränderungen der Darm-Hirn-Achse Autismus auslösen könnten. Doch Bird erklärt: "Diese Hypothesen sind bislang wissenschaftlich nicht überzeugend."

Besonders hartnäckig hält sich der Mythos, dass Impfstoffe Autismus auslösen. Diese Behauptung wurde jedoch in zahlreichen Studien eindeutig widerlegt. Auch die US-National Institutes of Health fanden keinen Zusammenhang. Die Ursprungstudie aus dem Jahr 1998, die einen Zusammenhang zum MMR-Impfstoff herstellte, wurde wegen gravierender Mängel zurückgezogen.

Kennedy, der als Impfgegner bekannt ist, forderte im März dennoch erneut Untersuchungen zu möglichen Impfstoffauswirkungen – entgegen dem aktuellen Forschungsstand.

Kritik von Autismus-Organisationen: "Gefühllos und unwissenschaftlich"

Die Reaktionen aus der Autismus-Community auf Kennedys Initiative sind deutlich. "Wir sind fassungslos über die gefühllose und wissenschaftsfeindliche Art und Weise, wie Trump und RFK Jr. über autistische Menschen sprechen", sagte Tim Nicholls von der britischen National Autistic Society der DW.

Anstatt Ursachenforschung zu betreiben, solle man laut Nicholls besser die Lebensumstände autistischer Menschen verbessern.

Auch Suzy Yardley warnt vor dem Ziel, Autismus zu "heilen" oder gar zu "verhindern". Bird ergänzt: "Es gibt Spannungen zwischen den Sichtweisen – für manche ist Autismus eine neurodiverse Variante, für andere eine schwere Beeinträchtigung."

(VOL.AT)

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