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Ich wollt ich wär´ ein Held: Fable 2

Gute Helden, Böse Helden: Sei wer Du willst, in Fable 2.
Gute Helden, Böse Helden: Sei wer Du willst, in Fable 2. ©Waibel
Peter Molyneux gehört zweifelsohne zu den kreativsten Köpfen der Spielebranche. Fable auf der Xbox war ein etwas anderes, aber geniales Action RPG. Teil 2 ist endlich ein Meisterwerk.  

Schwer, das in den vergangenen Tagen in Albion erlebte in Worte zu fassen. Gespannt fieberte ich auch diesem Molyneux Titel entgegen, denn – ich gestehe – ich habe sie alle gehabt. Bereits mit Popoulus setzte sich der gute Peter ein Denkmal, die Black and White Serie rund um ein schlaues Haustier, das man als Gott über die Strategiekarte scheuchen konnte, war der Versuch, KI auf sehr hohem Niveau mit einer dynamischen Spielwelt und Strategieelementen zu verbinden. Doch Black and White, so gern es viele gespielt haben, scheiterte meiner Meinung nach auf hohem Niveau. So bahnbrechend die KI des Schützlings war, nach einer gewissen Zeit des Spielens neigte Black and White dazu, langzuweilen. Jedenfalls empfand ich die totale spielerische Freiheit mehr als Belastung, denn als Bereicherung. So frei nach dem Motto: Ich setz Dich jetzt mal hier im Tropenparadies aus, mach was draus. Gamer wollen, selbst in relativ freien Game-Universen, an die Hand genommen werden. Das schaffte Fable damals recht gut, indem es relativ linear ablief, packende Kämpfe lieferte und einen sich ändernden Helden, der mit seiner Umgebung in begrenzten Bahnen kommunizieren konnte.

Fable 2 setzt dort an, wo Fable aufgehört hat, geschichtlich wie spielerisch. Jedoch ist es von Anfang an irgendwie gänzlich anders. Das Hardwarepotential der 360 voll ausnutzend, präsentiert sich auf dem TV eine je nach Setting atmosphärisch inszenierte Landschaft. So läuft der Spieler mit seinem Helden durch eine verträumte Märchenlandschaft mit blauem Ozean, blühenden Blumen und einer vielfältigen Fauna, die dem Spieler nicht immer zwingend wohlgesonnen ist. So muss sich der Anfänger mit Käfern herumprügeln, die in herrlich grausligen Schleimfontänen zerplatzen, wenn sie das zeitliche segnen. Im nächsten Moment, unterbrochen durch wohl notwendige Ladebildschirme, findet man sich in einer grauen, unheimlichen, verregneten Landschaft wieder, in dem einem Banditen, Hobbs und Zombies nach dem virtuellen Leben trachten. Doch ich greife voraus…

Dem Beginn geht ein sphärisches Introvideo voraus, dessen Handlung nahtlos ins Spielgeschehen überleitet. Bereits hier zeigt sich der typisch britische Humor, der sich wie ein roter Faden durchs Game zieht: Der Held auf Kindesbeinen wird quasi von einer auf einer Dachrinne sitzenden und dem Kleinen auf den Kopf kackenden Meise auserwählt. Dann schwenkt die Kamera auf Ingame-Grafik über, die ersten Minuten im Spiel nimmt einen Fable 2 behutsam an die Hand und führt einen in die Spielmechanik ein. Die ist geprägt von Interaktion mit jedwedem NPC, auf friedliche oder weniger friedliche Weise. Bald sind die ersten Quests angenommen, man trifft auf die ersten feindlich gesinnten Viecher im Spiel. Die Kampfmanöver mit dem Holzschwert gehen flott und intuitiv von der Hand, erste moralische Entscheidungen stehen an, die nicht nur den Helden sondern in sehr beeindruckender Form auch die Spielwelt nachhaltig verändern. Zerstörerische Naturen erwarten später trostlose, dunkle, brutale Settings oder gar ausgestorbene Dörfer. Passend zum dann bösen Äußeren des Helden, samt Dämonenfratze und Hörnern. Friedliche Naturen bekommen nicht nur im Fortschritt des Spiels einen Heiligenschein, sondern fühlen sich in paradiesähnlichen weitläufigen Landschaften so wohl, da mag man einfach verweilen und Albion genießen, wie der liebe Gott es geschaffen haben muss. Noch ein Wort zu den Landschaften und Levels: Diese sollen laut Entwickler in Summe 10 mal größer sein als noch in Fable für die Xbox. Noch immer sind die Level linear, bieten aber abseits der Wege viel Platz zum Entdecken.

Dabei hilft einem der bereits früh im Game an der Seite des jungen Helden befindliche Hund, der sich, wie auch der Held, im Aussehen verändert und auf die Umgebung reagieren kann – die Viecher aus Black and White lassen grüßen. Der Fellknäuel auf Beinen führt einen dann nach vorheriger Ausbildung zu verbuddelten Schätzen oder versteckten Schatztruhen und kann bei Kämpfen beherzt zubeißen. So kann ein gut ausgebildeter Wuffi einem benommen am Boden liegenden Feind oftmals den Rest geben.

Im Gegensatz zu anderen RPGs verändert sich der Held nicht in Form von Leveln, bei Kämpfen lassen die Gegner je nach angewandter Kampfkunst bunte Kugeln in drei Farben fallen, die nach dem Kampf aufgelesen werden müssen. So erhält der Zauberlehrling viele Kugeln, die sein Willenskraftkonto füllen und mehr und mehr starke Zauber freischalten. Von Inferno, Blitz, Zeitkontrolle, Machtstößen bis hin zum Erwecken von Untoten, die kräftig mitprügeln, findet sich einiges im Repertoire. Eifrige Schützen, die lieber mit Pistole, Armbrust oder Gewehr in den Kampf ziehen, fügen nach Aufstufung damit immer mehr Schaden zu, und die Nahkampfsau freut sich über dicke Muskeln und einen gewaltigen Bums – damit sie auch morgen noch kräftig zuhauen können. Dieses Feedback System auf die eigene Spielweise ist mit das genialste, was ich jemals in einem RPG erleben durfte. So hatte ich recht bald eine mit Area-Effekten um sich werfende Magierin geschaffen, die sich wie eine Massenvernichtungswaffe durch Horden von wehrlos wirkenden Gegnern pflügte wie der Mähdrescher zur Haupterntezeit. Mein Favorit war dabei „Wirbel” – damit kann der Held oder die Heldin immer stärkere Stürme herbeirufen. Gut getimt, kam damit kein Gegner an mich ran, da sie vom Sturm zum einen von den Beinen gerissen wurden und hilflos herumwirbelten, während sie großen Schaden erhielten und schließlich das zeitliche segneten. Optisch verändert sich ein oft Magie anwendender Char auch auf eine beeindruckende Weise: Blau leuchtende Willenskraftlinien durchziehen Gesicht und Körper. Die Ballermänner in Albion werden dagegen größer, die Haudraufs kommen mit der Zeit daher wie Arnold Schwarzenegger zu seinen besten Zeiten.

Wenns mal doch eng wird im Kampf, bedient sich der Held unterschiedlichsten Heiltränken oder Nahrungsmitteln, die nicht nur die Gesundheitsleiste wieder in den grünen Bereich bringen, sondern auch verschiedenste weitere Auswirkungen nach sich zieht. So werden Helden, die ständig Kuchen und fette Braten mampfen immer, nun ja, sagen wir voluminöser, Tofu oder Gemüseesser bleiben schön schlank und bekommen zudem „Gut” Punkte aufs Konto. Wer trotz allem Geschick im Kampf fällt, fällt nur bewusstlos hin, um kurz darauf mit einer Narbe mehr am Luxuskörper Vendetta zu üben. Allerdings verschwinden alle bis dahin rumfliegenden bunten Kugeln, die Erfahrung vor dem Tod geht also verloren. Wenn´s eng wird, heißt also noch fix Kugeln sammeln und dann beherzt in Gras beißen.

Was die Interaktion mit der Welt anbelangt, so könnte man Fable 2 als einen verdienten Ableger von Sims wie auch Sim City bezeichnen, oder wie meine Frau während des Zuschauens bemerkte: Das ist ja mehr Monopoly als RPG… Denn so lustig und in manchen Bereichen auch wichtig die Auseinandersetzung mit der Bevölkerung gestaltet, mit all den lustigen „Impressions” aus Fable, so motivierend ist die Tatsache, dass man nicht nur abenteuernd Gold verdienen kann, das für Waffen, Ausrüstung und Tränke sowie Nahrung wichtig ist. Sämtliche im Game befindlichen Gebäude wie Shops, Schmieden, Schlösser und Häuser können gekauft, eingerichtet und bezogen oder vermietet werden. Das coolste: Die Mieten werden auch kassiert, während man nicht zockt. Wer sich also als Immobilienhai betätigt, kann sich nach längerer Abstinenz über ein fettes Sümmchen freuen, das postwendend auf dem Konto landet, wenn man wieder einloggt.

Auch der Kontakt mit Albions Bevölkerung ist motivierend inszenziert, so kann der Held sowohl hetero- als auch homosexuelle Beziehungen pflegen, wobei die Partnerin, oder auch die Heldin, sofern man einen weiblichen Char spielt, nach vergnüglicher Liebesnacht (die nicht gezeigt wird) sogar schwanger werden kann. Dazu ist ein Eigenheim notwendig, und Unterhalt muss gezahlt werden, außerdem steht der Ehepartner auf Willkommensgeschenke nach längerer Abwesenheit.

Was die Story und auch die Sidequests anbelangt, so bietet Fable 2 ein sehr stimmiges Gesamtbild und genügend Betätigungsfeld abseits der Hauptstory. Will der Held sich als Kopfgeldjäger oder Attentäter verdingen? Auch mit Holzhacken und Schmieden oder als Wirt kann einiges an Gold verdient werden. Die Hauptgeschichte wird durch fulminante Ingamevideos vorangetrieben, nach gewissen Steps in der Geschichte verändert sich der Held gravierend, und altert auch. Selbst wenn die Hauptstory durchgezockt ist, gibt es noch genügend Betätigungsfeld, wer angesehen genug ist und einen Großteil der Immobilien ingame sein eigen nennt, der wird von der Bevölkerung zum König gekürt, protziges Schloß inklusive.

Wem es trotz all dieser Features langweilig werden sollte, der kann das Game sowohl via Internet oder am heimischen TV kooperativ mit einem Kollegen spielen. Dabei gilt aber besondere Vorsicht: Denn allzuschnell sind vom Mitspieler Sachen in der Welt verändert, die nicht nur auf die eigene Welt, sondern in Folge auch auf den Held Auswirkungen haben kann, etwa wenn der Mitspieler ausreichend böse Punkte sammelt oder den Ehepartner des Helden mal eben um die Ecke bringt.

Technisch ist Fable 2 brillant wie kaum ein anderes 360 Spiel, dennoch trüben Popups, Slowdowns, insbesondere bei ausladenden Zaubereffekten das harmonische Gesamtbild. Außerdem berichten Gamer über Bugs im Spiel, die zuweilen sogar ein Fortkommen in der Hauptstory unmöglich machen können. Es wird aber erwartet, dass Fable 2 als Microsoft-Vorzeigeprojekt einen guten Service erfahren wird, und über Xbox Live stetig gepatcht werden wird.

Fazit:
Fable 2 ist seit vielen Jahren ein Game, das mich stundenlang an das Gamepad fesseln kann. Ob es die traumhaften Landschaften sind, das Herumtüfteln am Helden und die Interaktion mit dem belebten Albion oder die Wirtschaftskomponente beim Aufkaufen ganzer Dörfer motiviert, oder die stimmigen Quests, die atmosphärischen Umgebungen, ich weiß es nicht. Fest steht für mich jedenfalls, dass Fable 2 eines der besten Spiele der letzten Jahre ist, wenn nicht das beste. Ich vergebe ja an sich keine Wertungen, aber meine persönliche bei Fable 2 wäre 96 %. Abgesehen von kleineren Unstimmigkeiten und Bugs gibt es an diesem Spiel nämlich nichts zu mäkeln. Dabei finden Vandalen, Gutmensch-Naturen, Planer und Trader, Rollenspieler, Sims-Fans und Actiongamezocker jeweils jeder für sich eine nahezu perfekte Welt vor, mit der man sich Stunden über Stunden beschäftigen kann. Wer an Fable 2 als einem der besten Games aller Zeiten vorübergeht, dem kann nicht mehr geholfen werden.

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