Der Autor deutete auf die Nussschale ganz links: “50 Euro auf diese”, meinte er überzeugt. “Du schuldest mir 50 Euro”, antwortete der Hütchenspieler und zeigte die Kugel unter der mittleren Nussschale. In dem Fall war es eine Demonstration des Wiener Zauberers Albert Klebel, die zeigen sollte, dass man im Ernstfall beim Hütchenspiel nie gewinnt. Die Botschaft lautet: “Du hast keine Chance, halte dich fern.”
Nicht nur die Fingerfertigkeit des Spielers selbst lässt das Hütchenspiel zur puren Abzocke werden. Vielmehr gibt es ein ausgeklügeltes System, so Klebel im Gespräch mit der APA. “Die Hütchenspieler treten immer in Gruppen von mindestens fünf Personen auf.” Sind es weniger, kann man sie getrost als Dilettanten bezeichnen. Dabei gibt es dem Experten zufolge eine genaue Rollenverteilung. Neben dem eigentlichen Spieler sind je nach Örtlichkeit ein bis zwei Aufpasser unterwegs. Diese stehen etwas weiter weg und können mit einem Warnruf das ganze Spiel in Windeseile auflösen.
Wobei der Ruf “Polizei” nicht bedeuten muss, dass tatsächlich gleich Ordnungshüter auftauchen. Oft geht es laut Klebel einfach nur darum, das Geld eines soeben Betrogenen ins Trockene zu bringen. Bevor das Opfer dahinterkommen kann, dass es gerade abgezockt worden ist, ist die Hütchenspielerbande schon in der Menge untergetaucht. “Ich habe das einmal in Barcelona beobachtet: Es kommt der Ruf und Sekunden später sind alle weg. Selbst wenn man sie genau beobachtet hat: Man findet sie in der Menge einfach nicht mehr”, erzählte der Zauberer. Möglicherweise verändern sie ihre Kleidung ein wenig – ein zunächst umgebundenes Tuch verschwindet zum Beispiel plötzlich.
Weiters gibt es falsche Mitspieler, die natürlich manchmal gewinnen, um die Zuschauer hineinzuziehen. Das Geld bleibt ja in der Familie. Ist einmal ein Opfer gefunden, hat es schon verloren. “Es ist heute nicht mehr üblich, dass sie den Neuspieler zunächst gewinnen lassen. Das Geschäft ist härter geworden. Das Ziel ist, einen Spieler auszunehmen. Dann erfolgt der Ruf ‘Polizei’ oder etwas Ähnliches, und alle sind weg”, so Klebel.
Der Kern der Abzocke ist natürlich die Technik des Hütchenspielers selbst. Bei den Utensilien ist es dem Experten zufolge ziemlich egal, was verwendet wird. Beliebt sind Streichholzschachteln und Staniolkügelchen, weil man beides leicht verschwinden lassen und damit Beweismittel vernichten kann. Aber auch Erbsen oder kleine Schaumgummibälle dienen als Inhalt oder eben Nussschalen als Hütchen.
“Es basiert wie die Zauberkunst darauf, dass man nur eine Sache genau beobachten kann”, erklärte Klebel. “Und selbst dabei kann das Auge nicht ganz ruhig auf einem Punkt bleiben.” Ergo arbeite man mit ganz kleinen Ablenkungen. So wird beispielsweise ein leeres Hütchen vorgeschoben. Unterdessen hebt der Betrüger mit der anderen Hand das Hütchen mit der Kugel beinahe unmerklich an und bugsiert gedeckt vom Handrücken den Inhalt mit den Fingern aus dem Hütchen. Dann wird die Kugel nach dem selben Muster wieder unter ein anderes Hütchen befördert.
“Daneben gibt es auch die große Ablenkung. Also wenn sich etwa einer einmischt und das Opfer verwirrt”, sagte der Zauberer. Und dann dürfte es da noch die Rückversicherung geben: “Ich vermute, wenn es hart auf hart geht, haben die Mitglieder der Gruppe auch Waffen eingesteckt.” Im Normalfall sei das aber gar nicht notwendig: “Alle um dich herum beim Hütchenspiel sind in der Regel falsch, also stecken mit dem Spieler unter einer Decke.” Was es für den Betrogenen auch schwer macht, eine Straftat nachzuweisen. Während er selbst keine Zeugen hat, gibt es mehrere Personen, die alle nichts gesehen haben wollen. “Die einzige Möglichkeit ist, mit einer großen Gruppe zu kommen, die alle fotografieren”, meinte der Zauberer.
Die Summen sind sehr unterschiedlich, die gesetzt werden, sagte Klebel. 200 Euro seien durchaus drin. Hütchenspieler gibt es überall. Auf dem amerikanischen Kontinent wird das Spiel mit Karten bevorzugt: “Suche die Dame”, heißt es. Die Gewinnchancen sind ebenfalls gleich null. Es ist einfach nicht zu sehen, wenn ein geübter Spieler bei zwei Karten in einer Hand die obere statt der unteren wirft.
In Wien ist das Problem nach wie vor nicht gelöst, obwohl das Hütchenspiel verboten ist. Die Polizei arbeitet mit Schwerpunktstreifen und in Kooperation mit dem Magistrat mit Schnellrichtern gegen die Hütchenspieler. Anstieg sei in den vergangenen Wochen keiner registriert worden, aber unterwegs seien sie vor allem auf der Kärntner und der Mariahilfer Straße nach wie vor. “Ganz wird man das Problem nie in den Griff bekommen”, so ein Beamter zur APA.