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Hong Kong: Wende durch neuen Führer?

Der erwartete Rücktritt von Tung Chee-hwa kann Hongkong einen Neuanfang ermöglichen, aber nicht alle Probleme lösen. Oppositionspolitiker Martin Lee: "Die Probleme liegen in Peking, das unseren Regierungschef eigenhändig aussucht."

Die kommunistische Führung regiere die frühere britische Kronkolonie wie es ihr gefalle. „Zuerst haben sie die Demokratie in Hongkong beseitigt, und jetzt wollen sie einen neuen Führer.“ Skeptisch äußerte sich der profilierte Abgeordnete in Zeitungsinterviews auch über den möglichen Nachfolger Donald Tsang: „Wird er es wagen, Nein zu sagen, wenn Anweisungen der Zentralregierung kommen?“

So saß schon der ungeliebte Regierungschef Tung Chee-hwa mehr als sieben Jahre zwischen den Stühlen. Dass seine Tage gezählt waren, wurde im Dezember deutlich, als ihn der neue Staats- und Parteichef Chinas, Hu Jintao, gegen alle Höflichkeit vor laufender Kamera aufforderte, seine „Unzulänglichkeiten“ zu erkennen und den Regierungsstil seines Kabinetts zu verbessern. Anlass waren die Feiern zum fünften Jahrestag der Rückgabe der benachbarten portugiesischen Enklave Macao, die sich besser mit Peking arrangiert hat. Auffällig lange schüttelte Chinas neuer Führer dann Hongkongs Verwaltungschef Donald Tsang die Hand. Das erinnerte an 1996, als der damalige Staats- und Parteichef Jiang Zemin mit einem Handschlag deutlich gemacht hatte, dass Tung Chee-hwa Pekings Mann für Hongkong war.

Heute müssen Chinas Führer eingestehen, dass der Sohn des Reeders Tung Chao Yung, der mit der Orient Overseas Container Line (OOCL) eines der größten Schifffahrtsunternehmen der Welt aufgebaut hatte, entweder nicht die richtige Wahl war oder vielleicht doch mehr Demokratie für die ehemals britischen Untertanen nötig ist. Freie Wahlen in Hongkong hatte Peking aber erst im April ausgeschlossen, was Massenproteste ausgelöst hatte. Da konnte der ungelernte Politiker Tung Chee-hwa, der wegen seiner Sieben-Tage-Woche und langen Arbeitstage auch „Mr. 7-11“ genannt wurde, noch so hart arbeiten – wegen seiner Loyalität zu Peking wirkte er immer entrückt von den eigentlichen Wünschen der Hongkonger nach mehr Mitsprache. Skandale in seinem Kabinett bestätigten nur den schlechten Eindruck.

Sollte sich die Wahl von Donald Tsang als Nachfolger bestätigen, tritt ein Verwaltungsmanager an die Spitze, der wie kaum ein anderer die Mechanismen in Hongkong kennt. Der heute 60-jährige hatte einst die chinesisch-britische Erklärung über die Rückgabe der Kronkolonie umgesetzt. Kurz vor dem Souveränitätswechsel adelte ihn die Queen, doch benutzt „Sir Donald“ den Titel kaum. Er wurde Schatzmeister, dann Finanzminister. Seine Interventionen während der Finanzkrise in Asien 1997 und 1998 wurde zuerst als Eingriff in Marktprinzipien kritisiert, erwiesen sich aber als richtig. 2001 stieg Tsang zum Verwaltungschef auf. Er genießt nicht nur Respekt unter den 170.000 öffentlichen Bediensteten, sondern findet in Umfragen auch eine Unterstützung von 60 Prozent der sieben Millionen Hongkonger, was sich in der kurzatmigen Metropole allerdings schnell ändern kann.

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