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Hoffnungen, Ängste und Frust: So startet der deutsche Mindestlohn

Vom Friseur bis zum Taxi: Deutscher Mindestlohn macht Alltag teurer.
Vom Friseur bis zum Taxi: Deutscher Mindestlohn macht Alltag teurer. ©AP
Zum Start des gesetzlichen Mindestlohns am Neujahrstag rechnen Deutschlands Arbeitgeber noch mit vielen praktischen Problemen. Das betreffe vor allem den Umgang mit flexiblen Arbeitszeiten, sagte Arbeitgeber-Präsident Ingo Kramer der Deutschen Presse-Agentur. Zudem seien den Unternehmen viel zu bürokratische Pflichten auferlegt worden, etwa die Arbeitszeiten zu dokumentieren.

Laut dem Deutschen Gewerkschaftsbund (DGB) können Arbeitnehmer Verstöße gegen die neue 8,50-Euro-Lohngrenze auch anonym melden. DGB-Vorstandsmitglied Stefan Körzell sagte der dpa, wenn sich für eine Branche oder einen Betrieb Meldungen über Verstöße an die zuständige Finanzkontrolle Schwarzarbeit des Zolls häuften, würden deren Kontrolleure tätig.

Stichwort Mindestlohn: So geht es weiter

Mit der Einführung des gesetzlichen Mindestlohns von 8,50 Euro pro Stunde am 1. Jänner 2015 ist die Reform in Deutschland nicht abgeschlossen – so geht es weiter:

  • Übergangsregelungen laufen aus, Ausnahmen werden überprüft: Dass Langzeitarbeitslose in den ersten sechs Monaten einer Beschäftigung keinen Mindestlohn bekommen, soll 2016 auf den Prüfstand. Ende 2016 endet die Möglichkeit zur Abweichung nach unten für Branchen mit länger laufenden Tarifverträgen. Bei Zeitungszustellern sollen die 8,50 Euro schrittweise bis 2017 kommen.
  • Der Mindestlohn wird weiterentwickelt: Alle zwei Jahre soll er an die Tarifentwicklung in Deutschland angepasst werden. Die dafür zuständige Mindestlohn-Kommission will Erhöhungen im Konsens zwischen Arbeitgebern und -nehmern vorschlagen.

 

Deutscher Mindestlohn macht Alltag teurer

Der Mindestlohn in Deutschland ist für viele Arbeitnehmer eine gute Nachricht. Den Preis dafür aber zahlen auch die Verbraucher. Viele Dienstleistungen werden teurer. Ab Jänner 2015 gilt der gesetzliche Mindestlohn von 8,50 Euro. Was betroffene Arbeitnehmer freut, bleibt nicht ohne Folgen für die Geldbörsen der Verbraucher. Einige Beispiele:

FRISEUR

Das Friseurhandwerk gilt als klassische Niedriglohnbranche. Über einen Branchentarifvertrag gibt es hier schon seit mehr als einem Jahr einen Mindestlohn, der zum 1. August 2015 auf 8,50 Euro steigt. Zum 1. August 2013 hatten sich Handwerk und die deutsche Gewerkschaft Verdi auf eine deutschlandweite Lohnuntergrenze geeinigt, die nun schrittweise steigt. Vor allen in Großstädten machen sich Friseure große Konkurrenz. Stundenlöhne um 4 Euro waren in früheren Zeiten nicht ausgeschlossen. Deutliche Preissteigerungen gab es schon und wird es nach Ansicht der Branche vor allem dort geben, wo die Löhne bisher nicht stimmten.

TAXI

Auch hier werden Kunden bald tiefer in die Tasche greifen müssen. Bisher zahlt die Branche nach Schätzungen des Deutschen Taxi- und Mietwagenverbands rund 6,50 Euro pro Stunde. Der Lohn ist dabei oft am Umsatz orientiert. Die Tarife werden von den Kommunen festgelegt. An ihre Adresse gibt es bereits viele Anträge auf Preiserhöhungen, im Schnitt von 20 bis 25 Prozent. Die Branche rechnet aber auch damit, dass Unternehmen die Anzahl ihrer Wagen reduzieren und Stellen streichen könnten. Branchenkenner halten Tricksereien für möglich, um den Mindestlohn zu umgehen. In jedem Fall steht die Branche vor großen Umstrukturierungen.

LEBENSMITTEL

Viele Obst- und Gemüsebauern gehen davon aus, dass ihre Preise steigen, zum Beispiel für Erdbeeren, Spargel, Sauerkirschen und Äpfel. Denn der Mindestlohn gilt auch für Erntehelfer – allerdings noch nicht sofort. Für Saisonarbeiter in der Land- und Forstwirtschaft sowie im Gartenbau soll der Stundenlohn hier schrittweise ab 2015 von 7,40 im Westen und 7,20 im Osten auf einheitliche 9,10 Euro im Jahr 2017 steigen. Viele Landwirte sehen das als Wettbewerbsnachteil in der EU. In anderen Staaten gebe es zwar auch Mindestlöhne, aber sie lägen deutlich niedriger.

PFLEGE

Einen Mindestlohn in der Pflegebranche gibt es bereits seit Mitte 2010. Zurzeit liegt er im Westen bei 9 und im Osten bei 8 Euro. Ab Jänner 2015 sind es dann 9,40 Euro und 8,65 Euro. Das gilt für Betriebe – vom Pflegeheim bis zu ambulanten Diensten. In zwei Schritten soll der Mindestlohn bis Jänner 2017 auf 10,20 Euro pro Stunde im Westen und 9,50 Euro im Osten steigen. Ab 1. Oktober 2015 solle der Pflegemindestlohn neu auch für Betreuungs- und Assistenzkräfte in Heimen gelten. Privathaushalte, die eine Pflegekraft beschäftigen, sollen ab Jänner den allgemeinen gesetzlichen Mindestlohn von 8,50 Euro zahlen. Der Arbeitgeberverband Pflege geht davon aus, dass Pflege damit teurer wird – allerdings nicht sofort und auch nicht in riesigen Sprüngen. Denn bereits jetzt verdiene die Mehrzahl der Pflegehilfskräfte mehr als den Mindestlohn, sagte Sprecher Steffen Ritter. Auch stiegen die Beiträge zur Pflegeversicherung in den kommenden Jahren um rund einen Prozentpunkt an und federten die Lohnsteigerungen ein wenig ab.

(APA, DPA)

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