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Höhere Gewalt - Trailer und Kritik zum Film

Wie reagieren, wenn der Vater in einer Extremsituation die Flucht ergreift, anstatt seine Familie zu beschützen? In seiner in Cannes prämierten, furiosen Satire "Höhere Gewalt" (Original: "Force Majeure") demontiert der schwedische Regisseur Ruben Östlund Schritt für Schritt das Familienkonstrukt - und den Mann als selbst ernanntes starkes Familienoberhaupt gleich mit. Ab Freitag im Kino.

“1, 2, Lächeln”: Die traumhafte Kulisse der französischen Alpen hinter ihnen, der äußerst enthusiastische Touristenfotograf vor ihnen, posieren Ebba, Tomas und die beiden Kinder Vera und Harry als perfekte Familie. Es ist der Auftakt ihres Skiurlaubs – die erste gemeinsame Zeit seit langem, ist Tomas doch sonst immer am Arbeiten, erzählt Ebba einer schwedischen Touristin in der Hotellobby. Die Idylle ist dahin, als sich am Tag darauf beim Mittagessen eine Katastrophe anbahnt: Eine scheinbar kontrolliert ausgelöste Lawine nähert sich dem Panoramarestaurant. Erst beruhigt Tomas noch – “Die wissen, was sie tun” -, doch als sich die Schneemassen rasant fortbewegen und auf der Veranda Panik ausbricht, ergreift er die Flucht. Während Ebba sich schützend über die Kinder wirft, greift er gerade noch seine Handschuhe und sein Smartphone.

Höhere Gewalt – Geschichte

Schnell ist klar, dass einzig aufgewirbelter Schnee die Szenerie in ein bedrohliches Weiß getaucht hat und die Lawine vor dem Restaurant zu erliegen gekommen ist. Die Katastrophe mag zwar ausgeblieben sein, die Anspannung innerhalb der Familie aber ist umittelbar spürbar und steigert sich nach dem anfänglichen nervösen Weglächeln zunehmend: Die Kinder rebellieren, Ebba ist verunsichert und Tomas zweifelt schon bald am maskulinen Selbstbild, das er von sich hat. Als Tomas’ Kumpel Mats und dessen blutjunge Freundin Fanni zu Besuch kommen, eskaliert die Situation.

Es dauert nur drei Tage, bis Macho Tomas heulend vor der Hotelzimmertür kauert. Wie der stoische Hausmeister im Luxushotel werden wir Zeuge einer zunehmend bröckelnden Familienstruktur, in der nach und nach jeder seine ihm zugeschriebene Rolle infrage stellt – allen voran Tomas, der offenbart, dass er nicht der Fels in der Brandung ist, als der er sich darstellt. Ruben Östlund inszeniert seine bissige Demontage in langen, statischen Einstellungen vor einer dank Computer-Nachbearbeitung spektakulären Kulisse und bricht die formale Strenge immer wieder mit urkomischem, trockenen Humor auf. Die Veränderung innerhalb des Familiengefüges macht er dabei auch die tägliche Routine durch die Fünf-Tages-Struktur deutlich: Wie viel Wut und Unsicherheit Johannes Bah Kuhnke (Tomas) und Lisa Loven Kongsli (Ebba) allein in ihren Zahnputzstil legen, ist meisterhaft.

Höhere Gewalt

Die eine oder andere Scheidung ging schon auf Ruben Östlunds Kappe, scherzte Viennale-Direktor Hans Hurch, als “Höhere Gewalt” (unter dem Titel “Turist”) als Abschlussfilm des Festivals 2014 gezeigt wurde. Dass die Reaktion des Mannes bei manch Zusehern ebenso folgenschwere Diskussionen auslösen kann wie bei Mats und Fanni im Film, steht außer Frage. Beim Festivalpublikum kristallisierte sich Kristofer Hivju, bekannt aus der Serie “Game of Thrones”, mit seinem prägnanten, roten Rauschebart und dem verdatterten Blick jedenfalls als eigentlicher Star heraus. Zuvor hatte Östlund mit seiner bissigen Satire bereits bei den Filmfestspielen in Cannes Aufsehen erregt und in der renommierten Schiene “Un certain regard” den Preis der Jury erhalten.

Für den 40-jährigen Östlund ist es – nach dem FIPRESCI-Preis für sein Debüt “The Guitar Mongoloid” (2004), dem Goldenen Bären für seinen Kurzfilm “Incident in a Bank” (2009) und dem vielfach prämierten “Play – Nur ein Spiel?” (2011) ein weiterer Höhepunkt seiner Karriere. Im skandinavischen Raum hat seine außergewöhnliche Machart, mit HD-Kameras und Nachbearbeitung zu experimentieren, bereits zahlreiche Nachahmer gefunden. Bei den Oscar-Nominierungen für den besten nicht-englischsprachigen Film ging “Höhere Gewalt” allerdings leer aus.

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(APA)

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