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Hochspannung vor Vertrauensvotum im griechischen Parlament

Hochspannung vor der Vertrauensabstimmung im griechischen Parlament über die politische Zukunft von Ministerpräsident Giorgos Papandreou: Sollte der Regierungschef scheitern, wäre das Land kaum noch vor einer Pleite zu retten.
Was wollen die Griechen?
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Die Griechen machten am Dienstag mit Streiks und Demonstrationen erneut mobil. An den Märkten überwog allerdings die Hoffnung, dass Papandreou die Abstimmung gewinnen würde und damit ein weiteres Sparpaket durchsetzen kann, das Voraussetzung für neue Milliardenhilfen ist. Das Votum war für Mitternacht angesetzt. Papandreous Sozialisten haben eine knappe Mehrheit von 155 der 300 Abgeordneten im Parlament in Athen.

Papandreou hatte angesichts der wachsenden Proteste gegen den Sparkurs vergangene Woche das Kabinett umgebildet. Wenn er vom Parlament das Vertrauen ausgesprochen bekommt, muss der Regierungschef nächste Woche eine weitere Abstimmung überstehen. Dann wird es um das neue 78 Milliarden Euro schwere Sparprogramm gehen. Dies ist Voraussetzung dafür, dass die Euro-Finanzminister die dringend benötigten zwölf Milliarden Euro freigeben, mit denen Griechenland bis Mitte Juli seine Schulden bedienen muss.

Die zwölf Milliarden Euro werden benötigt, um im Juli auslaufende Staatsanleihen zu bedienen. Der Betrag ist die nächste Tranche aus dem ersten Rettungspaket im Gesamtvolumen von 110 Milliarden Euro. Dies reicht allerdings bei weitem nicht aus, um die Griechenland-Krise zu bewältigen, weshalb EU und IWF bereits an einem zweiten Rettungspaket arbeiten, für das Kreisen zufolge bis zu 120 Milliarden Euro benötigt werden. Vor allem Deutschland drängt dabei auf eine Beteiligung privater Investoren. Die Euro-Finanzminister haben sich darauf verständigt, dass dieser Beitrag freiwillig sein muss, damit es nicht zu einem sogenannten Kreditereignis kommt.

In diesem Fall wäre faktisch ein Zahlungsausfall Griechenlands mit nicht absehbaren Reaktionen an den Finanzmärkten festzustellen. Die Ratingagentur Fitch machte allerdings deutlich, dass sie auch einen freiwilligen Tausch griechischer Staatsanleihen als Zahlungsunfähigkeit des Landes einstufen würde. Der Weg eines “freiwilligen Tauschs” gilt derzeit als wahrscheinlichste Lösung. Vorbild ist die “Wiener Initiative”: Auf dem Höhepunkt der Finanzkrise hatten sich österreichische Banken als Gläubiger osteuropäischer Länder 2009 darauf verständigt, Anleihen der Staaten nach Ende der Laufzeit in neue Papiere umzutauschen und damit nicht zu verkaufen.

Finanzministerin Maria Fekter (V) betonte vor dem Ministerrat am Dienstag, sie sei gegen eine Entschuldung Griechenlands, die Griechen müssten aus eigener Kraft die Wende schaffen. Die internationale Hilfe werde erst dann freigegeben, wenn das krisengeschüttelte Land die nötigen Schritte im Parlament beschlossen habe. Dazu gehörten ein Privatisierungspaket und ein mittelfristiger Reformplan. Bisher hätten die Griechen das nicht auf Schiene gebracht. Mit internationaler Hilfe sei der Zug jetzt aber auf Schiene, er müsse nur noch zu fahren beginnen, sagte Fekter. Wenn aber die Griechen ein paar Waggons abkoppeln, werde das Hilfsgeld nicht fließen. Gleichzeitig betonte Fekter, dass eine Pleite Griechenlands viel schlimmere Folgen hätte. “Es gibt viele Szenarien, die viel, viel schrecklicher sind, als wenn man den Griechen hilft.”

Ähnlich sehen dies die Österreicher. Obwohl es wehtut, ist eine Mehrheit der Österreicher der Meinung, dass unser Land mit Griechenland Solidarität zeigen muss. Dies ergab eine Umfrage der Sozialwissenschaftlichen Studiengesellschaft SWS, die von der Österreichischen Gesellschaft für Europapolitik (ÖGfE) in Auftrag gegeben wurde. 60 Prozent der Befragten sprachen sich dafür aus, Solidarität zu zeigen und Griechenland nicht “hängen zu lassen”. Begründet wird dies unter anderem damit, dass es “noch viel schlimmere Folgen für uns hätte, wenn Griechenland bankrottgehen würde”. 58 Prozent stimmen dieser Aussage zu.

In Griechenland wollte die Bewegung der “Empörten Bürger” am Nachmittag aus Protest gegen das 78 Milliarden Euro schwere Sparprogramm alle Zufahrtswege zum Parlament blockieren. Die Polizei zog starke Einheiten im Zentrum zusammen, wie Augenzeugen berichteten. Die Bewegung organisiert sich hauptsächlich über das Internet. Tausende Menschen demonstrieren seit fast einem Monat jeden Abend vor dem Parlament. Sie fordern, dass alle Politiker abtreten. Ein Vorschlag, wie es nach einem Abgang der Politiker weiter gehen soll, liegt seitens dieser Bewegung noch nicht vor. Unter den Zehntausenden Demonstranten, die sehr friedlich sind, bewegen sich in den letzten Tagen zunehmend gefährliche Extremisten. Darunter sind Neonazis und gewaltbereite Autonome.

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