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Historisches EU-Referendum in Großbritannien begonnen

Wahllokale bis 23.00 Uhr geöffnet
Wahllokale bis 23.00 Uhr geöffnet ©APA
In Großbritannien hat am Donnerstag in der Früh das historische EU-Austrittsreferendum begonnen. Rund 46,5 Millionen registrierte Wähler können entscheiden, ob das Königreich weiter in der Europäischen Union bleiben oder ausscheiden soll. Ersten Umfragen zufolge steigt die Wahrscheinlichkeit, das Großbritannien in der EU bleibt.
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Kern für Verbleib optimistisch

Es gilt als eine der wichtigsten Entscheidungen des Landes seit Jahrzehnten.  Im Falle eines Brexits – also eines Ausstiegs aus der EU – wird ein Rücktritt von Premierminister David Cameron nicht ausgeschlossen. Die EU würde durch einen Austritt Großbritanniens aus der Gemeinschaft der momentan 28 Staaten in die schwerste Krise ihrer Geschichte gestürzt. Noch niemals hat ein Mitgliedsland die vor sechs Jahrzehnten begründete Gemeinschaft verlassen.

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Wahrscheinlichkeit des EU-Verbleibs steigt

Die Wahrscheinlichkeit, dass sich die Briten für einen Verbleib in der EU entscheiden, steigt: Rund 52 Prozent befürworten den Verbleib in der EU, wie am Wahltag aus einer Umfrage von Ipsos Mori für die Zeitung “Evening Standard” hervorging. Etwa 48 Prozent seien für einen Brexit. Die Umfrage war vor Öffnung der Wahllokale geführt worden.

Auch in die Quoten der Buchmacher zum EU-Referendum ist am Donnerstagvormittag nochmals deutlich Bewegung gekommen. Am Mittag wurden auf der Wettbörse Betdaq für einen Verbleib der Briten in der EU für 1 Pfund nur noch 1,17 Pfund gezahlt. Die Quote signalisiert damit eine Wahrscheinlichkeit von etwa 85 Prozent für ein “Remain” – also den Verbleib in der EU.

Im Umkehrschluss ergibt sich ein Brexit-Risiko von nur noch rund 15 Prozent. Am Morgen war dieses noch gut 10 Prozentpunkte höher gelegen.

Nach Wahlschluss erste Exit Polls

Das Meinungsforschungsinstitut YouGov wird nach Schließung der Wahllokale beim Brexit-Referendum in Großbritannien eine Wählernachbefragung vorlegen. Das kündigte YouGov am Wahltag überraschend an. Die demoskopische Qualität des Zahlenmaterials entspricht nicht ganz einer echten Prognose. Die Exit Poll soll kurz nach Schließung der Wahllokale um 23.00 Uhr vorgelegt werden.

Mit einem klaren Bild der tatsächlichen Auszählung wird erst am frühen Morgen gerechnet. Bis gegen 06.00 Uhr MESZ soll ein Großteil der wichtigen Stimmbezirke ausgezählt sein, berichtet die BBC. Dann könnte sich ein nicht mehr umkehrbares Ergebnis herauskristallisieren.

Ergebnis am Freitagmorgen

Die Wahllokale sind von 08.00 bis 23.00 Uhr MESZ geöffnet. Umfragen erwarten ein knappes Ergebnis. Der Durchschnitt von acht Umfragen seit dem 15. Juni ergab einen hauchdünnen Vorsprung von 45:44 Prozent für das Pro-EU-Lager. Rund zehn Prozent der Wähler waren aber noch kurz vor der Entscheidung unentschlossen.

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Premier Cameron will am Freitag um 10.00 Uhr MESZ ein offizielles Statement abgeben. Die EU-Außenminister werden ebenfalls am Freitag bei einer Sondersitzung in Luxemburg über Konsequenzen aus dem britischen Votum beraten. Am Dienstag kommen dann die EU-Staats- und Regierungschefs in Brüssel zu einem Gipfel zusammen.

Kern: “Keine Sorge, was Österreich betrifft”

Bundeskanzler Christian Kern (SPÖ) befürchtet keine Auswirkungen eines Brexit auf Österreich. “Ich habe keine Sorge, was Österreich betrifft”, sagte Kern am Mittwoch nach einem Treffen mit EU-Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker. Dieser schloss neue Verhandlungen mit London für den Fall einer Mehrheit für den Brexit kategorisch aus. “Out is out”, sagte er.

Dominoeffekt befürchtet

Viele Beobachter befürchten einen Dominoeffekt im Fall einer britischen Austrittsentscheidung. Die rechtspopulistische Dänische Volkspartei (DF), die die rechtsliberale Regierung von Poul Nyrup Rasmussen im Parlament stützt, hat bereits eine entsprechende Forderung formuliert. Die französische Präsidentschaftskandidatin Marine Le Pen hat für den Fall ihres Wahlsieges im kommenden Jahr ein Austrittsreferendum angekündigt. Die FPÖ strebt dagegen vorerst kein “Öxit”-Referendum an, wie EU-Abgeordneter Harald Vilimsky der APA am Dienstag sagte. Ein Austrittsreferendum solle es “nur bei einer weiteren Fehlentwicklung der EU” geben, etwa bei einer EU-Annäherung der Türkei.

EU-Währungskommissar warnt Briten vor Folgen

EU-Währungskommissar Pierre Moscovici hat die Briten eindringlich davor gewarnt, am Donnerstag für einen Austritt aus der Europäischen Union zu stimmen. “Jede Abstimmung hat Konsequenzen: Drin heißt drin und raus heißt raus”, sagte er den Zeitungen der deutschen Funke Mediengruppe (Donnerstagsausgaben).

Es sei besser, Großbritannien in der EU zu haben, und es sei besser für Großbritannien, in der EU zu bleiben.

Am Donnerstag sei ein entscheidender Tag für Europa, sagte Moscovici. Unabhängig von dem britischen Referendum rief der EU-Kommissar die Europäer zu tief greifenden Reformen auf. “Was in Großbritannien auch immer passiert: Wir müssen Europa grundlegend verändern.” Europa brauche einen “Neustart”.

Besonders wichtig sei, in der Eurozone eine gemeinsame Wirtschaftspolitik zu betreiben, die “so effizient ist wie die Geldpolitik”, sagte Moscovici. Zudem sei die Zeit gekommen, “die Währungsunion zu vertiefen und zu vervollständigen”.

Cameron einsilbig, Farage optimistisch

Ohne viele Worte an wartende Journalisten hat der britische Premierminister David Cameron am Donnerstagvormittag seine Stimme beim EU-Referendum abgegeben. “Guten Morgen” war das Einzige, was er sagte, als er am Donnerstag gemeinsam mit seiner Ehefrau Samantha in der Nähe von Downing Street 10 zur Wahlurne ging. Nicht einmal zum schlechten Wetter wollte sich der Premier äußern, berichtete die Nachrichtenagentur PA.

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Nigel Farage, Chef der rechtspopulistischen britischen UKIP, gab sich weniger wortkarg – und siegessicher: Das Brexit-Lager habe eine “sehr starke Chance”, sagte er vor seinem Haus in der Grafschaft Kent der Nachrichtenagentur PA.

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Aber auch der für einen britischen Verbleib in der EU eintretende Labour-Chef Jeremy Corbyn zeigte sich demonstrativ zuversichtlich: “Es ist ein guter Tag”, sagte er bei der Stimmabgabe im Londoner Stadtteil Islington. Zum erwarteten knappen Wahlausgang meinte er, man könne entweder den Finger in den Wind strecken oder die Buchmacher befragen. “Die Buchmacher liegen meistens richtig”, meinte er mit Blick auf die Wetten, die auf einen Sieg des Pro-EU-Lagers setzen.

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