Zeithistoriker haben am Montag erneut Druck dafür gemacht, dem Mitverfasser der nationalsozialistischen Rassengesetze Hans Globke den zweithöchsten Orden der Republik abzuerkennen. Die dafür notwendige Änderung eines Gesetzes sollte politisch leicht arrangierbar sein, heißt es in dem Appell. Verfassungsministerin Karoline Edtstadler (ÖVP) signalisiert Zustimmung.
Historiker fordern Aberkennung von Ehrung für Nationalsozialisten
Die Wissenschafter hatten sich bereits 2018 und 2020 für eine Änderung des Ehrenzeichengesetzes stark gemacht, ein entsprechender Antrag hängt derzeit im Parlament fest. Edtstadler meinte dazu gegenüber der "Kleinen Zeitung", für die Regierung sei klar, dass es die gesetzliche Möglichkeit geben müsse, Personen mit NS-Vergangenheit Ehrenzeichen für Verdienste um die Republik Österreich abzuerkennen: "Im Moment prüfen wir, ob es hier noch einer legistischen Nachschärfung hinsichtlich der posthumen Aberkennung bedarf. Es ist unser Bestreben eine Lösung zu finden, die eine breite Zustimmung im Parlament über die Parteigrenzen hinweg erhält."
Globkes Leben und Wirken seien relativ gut erforscht, betonen die Wissenschafter der Universitäten Wien, Graz, Innsbruck, Klagenfurt und Linz rund um den ehemaligen Rektor der Karl-Franzens-Universität Graz, Helmut Konrad, in ihrer Petition. Sie fordern, die "Täter" der Verbrechen des Nationalsozialismus zu benennen und hier auch jene, "die von ihrem Schreibtisch aus die Wege öffneten, die nach Auschwitz führten".
Globke war das "Große Goldene Ehrenzeichen" verliehen worden
Hans Globke war das "Große Goldene Ehrenzeichen am Bande für Verdienste um die Republik Österreich" im Jahr 1956 als Mitarbeiter des deutschen Bundeskanzlers Konrad Adenauer verliehen worden. Der 1973 verstorbene Geehrte hatte 1933 als Jurist im Reichsinnenministerium das Ermächtigungsgesetz konzipiert, mit dem Adolf Hitler die Demokratie ausschaltete. Außerdem wirkte er an den Rassengesetzen mit. Der Petition zufolge ist etwa der Stempel "J" in den Pässen der jüdischen Bevölkerung auf Globke zurückzuführen, ebenso, dass den Vornamen im Pass eine "Sara" beziehungsweise ein "Israel" angefügt werden musste.
Änderung des Ehrenzeichengesetzes nach wie vor ausständig
Schon im "Gedenkjahr" 2018 hatten sich die Wissenschafter dafür eingesetzt, Globke posthum das "Große Goldene Ehrenzeichen am Bande für Verdienste um die Republik Österreich" zu entziehen. Bundeskanzleramt und Bundespräsidentschaftskanzlei hatten damals eine Prüfung angekündigt, sind doch Aberkennungen von Ehrenzeichen eigentlich nicht vorgesehen. Die notwendige Änderung des Ehrenzeichengesetzes ist allerdings nach wie vor ausständig und hängt derzeit im Verfassungsausschuss des Nationalrats fest.
Historiker appellieren in Petition dafür Aberkennung zu ermöglichen
In ihrer Petition appellieren die Wissenschafter daher erneut an Bundespräsident Alexander Van der Bellen, Kanzler Alexander Schallenberg, die Klubobleute und Mitglieder des Verfassungsausschusses, die Aberkennung zu ermöglichen. "Dem Ansehen der Republik würde damit jedenfalls gedient", betonen sie in dem Schreiben, in dem sie auch auf das sich am morgigen Dienstag jährende Novemberpogrom vom 9. November 1938 verweisen, mit dem die von Globke mitverfassten "Nürnberger Gesetze" grausam in die Tat umgesetzt wurden.
Blimlinger fordert Umsetzung der Strategie gegen Antisemitismus
Die Historikerin und Sprecherin für Vergangenheitspolitik der Grünen, Eva Blimlinger, pocht unterdessen im Vorfeld des Jahrestags auf eine rasche Umsetzung der heuer beschlossenen nationalen Strategie der Bundesregierung gegen Antisemitismus. "Österreich hat nicht nur eine historische, sondern vor allem eine gegenwärtige und zukünftige Verantwortung", wird sie am Montag in einer Aussendung zitiert.
Sie erinnert daran, dass während des Novemberpogroms in Wien mit besonders großer Brutalität vorgegangen worden sei. "Die antisemitische Grundstimmung in Österreich bildete die Basis für die brandschatzenden gewalttätigen Gruppen. Es waren vor allem die Wienerinnen und Wiener die sich organisierten und gegen ihre Nachbarn vorgingen, die Wohnungen plünderten, Jüdinnen und Juden quälten und niederschlugen, denunzierten und Fensterscheiben einschlugen."
Österreich hat nach 1945 Rückkehr von Geflüchteten erschwert
Nach 1945 habe Österreich die Geflüchteten nicht zur Rückkehr eingeladen, sondern ihnen das Zurückkommen noch erschwert. Selbst heute müssten jüdische Synagogen, Kindergärten und Schulen, auch das eine oder andere Restaurant und Bethäuser bewacht werden, so Blimlinger, die auch an den Angriff auf die Grazer Synagoge und auf den Gemeindepräsidenten Elie Rosen erinnert. "Es ist die Aufgabe der Republik Österreich, Maßnahmen zu setzen, die Antisemitismus auf allen Ebenen bekämpfen."
(APA/Red)