„Hirte sein ist mehr als ein Job“

Emsreute/Dornbirn. Er sieht das Leben als Geschenk, das es auszukosten gilt. Zwischen der Arbeit findet er immer wieder Zeit für das, was Freude macht. Sei es die Zeit in der Stille und Meditation, oder die Zeit, die er mit anderen auf humorvolle Art teilt. Zeit zu haben für Kinder, nicht nur für die eigenen, ist ihm wichtig. Die Rede ist vom bisher längst gedienten Älpler am Dornbirner First: Wolfgang Künzler hat 43 Jahre seines Lebens auf den Alpen verbracht, anfänglich im Montafon, Arlberg und der Schweiz. Seit 1996 liegt die Alpaufsicht am First für „Valors“, „Obersturm“ und „Wiesberg“ in seiner Obhut. Diese Alpen hat er vor 22 Jahren gepachtet und mit einem neuen Bewirtschaftungsmodell existenzfähig gemacht. Künzler ist einer der Vorarlberger Pioniere, die marode Alpen wieder lebensfähig gemacht haben. Neuartig dabei sind eine biodynamische Weidepflege, ein ausgeklügeltes Weidemanagement mit Mutterkühen, Pferden und Schafen. Inbegriffen ist zudem ein soziales Angebot für Jugendliche mit Entwicklungsstörungen, das eine nachhaltige Bewirtschaftung der Alpen sichert.
Frage nach Sinn
Das pulsierende Leben auf der Alp sei für ihn täglich eine neue Herausforderung, nicht berechenbar, nicht planbar. Umgeben von Tieren, Bergen und Pflanzen, vom Wetter dirigiert, spüre man das „pure Leben“, das oft sehr anstrengend, aber trotzdem auch schön sei. „Die vielen Jahre auf der Alp haben mich immer mehr den Kernfragen nähergebracht: Was ist wirklich wichtig in meinem Leben und was macht Sinn? In den letzten 43 Jahren hatte ich mit mehr als 5000 Rindern und mehr als 600 Pferden zu tun, und die meisten würde ich heute noch erkennen“, erwähnt Künzler lachend und erzählt weiter: „Hirte zu sein ist für mich Berufung, ein guter Hirte braucht viel Erfahrung und hat die Qualität eines Facharbeiters. Leider wird dies öffentlich nicht anerkannt“, bedauert er. Ein guter Hirte sei auch ein guter Sozialarbeiter. Auf beiden Seiten gehe es um die gleiche Fürsorge, ums Behütet sein. Und es gibt noch etwas, das ihn freut: „Sogar der Papst trägt ein großes Kreuz, auf dem ein Hirte abgebildet ist.
Jenseits der Zivilisation
Es gibt keine direkte Zufahrt zur Alpe. Das letzte Stück (ca. eine halbe Stunde) muss zu Fuß zurückgelegt werden und die Lebensmittel werden mit Tragepferden hochgeschafft. Dabei erwähnt er die Familientradition: „Bereits vor 60 Jahren war mein Vater schon Hirte auf den Ebniter Alpen.“ Außerdem sei es die Geschichte der Alpen dort oben, die ihn beeindrucke. Der Volksmund nennt das Gebiet Bärental, das aber mit Bären nichts zu tun habe, sondern vielmehr mit dem Namen „Verbranntes Tal“. Denn vor fast 500 Jahren haben die Walser, die sich später im Ebnit niedergelassen haben, eine Brandrodung betrieben um genügend Weideflächen zu erhalten. „Am liebsten würde ich es heute den Walsern gleichtun“, merkt Künzler an und lacht dabei herzlich. „Der Wald verdrängt zunehmend die Weideflächen“, sieht er als Nachteil für Tiere.
Alpmesse
Beinahe so idyllisch wie es eben nur auf einer Alpe sein kann, ist Künzlers Zuhause in Emsreute. Der Weg dorthin führt über einen steilen Schotterweg. Das Anwesen mutet historisch an und vermittelt das Gefühl auf einer kleinen Alpe zu sein. Auch das sieht der dreifache Vater als Geschenk. Mit einer schlichten Alpmesse auf „Valors“, die er jedes Jahr organisiert, gibt er etwas davon zurück. „Das ist meine Art von Dankbarkeit“, erwähnte der Alpmeister bei der Begrüßung seiner Gäste, für deren leibliches Wohl er im Anschluss sorgte. „Wie oft wir hier den Naturgewalten ohnmächtig ausgeliefert sind, dafür brauchen wir den Segen von oben“. Dafür nahm Pfarrer Michael Mayer den weiten, holprigen Weg auf sich, und auch noch das letzte Stück zu Fuß, um Menschen und Tiere am First zu segnen.
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Zur Person:
Mag. Wolfgang Künzler
Wohnort: Emsreute
Geb: 1956
Ausbildung/Beruf:  Elektriker, Hirte, Landwirt, Alpmeister, Studium der Sozialwissenschaft und Sozialpädagogik, Humanökologe
Hobbys: Reiten, Handfischen, Schafzucht, Schreiben (literarische Texte), Skitouren, darstellende Kunst.
Motto: „Das Leben als Geschenk sehen“
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