AA

"Hicke" verärgert über sein Image

Teamchef Josef Hickersberger kann seinen Ärger über die Vorurteile ihm gegenüber nur schwer verhehlen: "Für mich ist Motivation nicht die Frage von Lautstärke oder Gesten."

Nicht nur für Politiker ist die Außendarstellung zu einem wesentlichen Popularitäts- und damit Erfolgs-Faktor geworden. Die Anforderungen des Medienzeitalters gehen auch an Fußball-Trainern nicht spurlos vorüber, wie Teamchef Josef Hickersberger seit seinem Amtsantritt im Jänner 2006 zu spüren bekommt. So gilt der 59-Jährige etwa durch seine langsame Sprechweise bei Interviews in weiten Teilen der Öffentlichkeit als zu „weicher“ Coach und schlechter Motivator.

Seinen Ärger über diese Vorurteile kann Hickersberger nur schwer verhehlen. „Für mich ist Motivation nicht die Frage von Lautstärke oder Gesten, sie hat nichts mit dem Naturell eines Trainers zu tun“, sagte der Niederösterreicher und ergänzte: „Aus der gleichen Schublade stammt das Urteil: Die Mannschaft spielt so langsam, wie der Trainer spricht.“

In diesem Fall wäre die Lösung aller Probleme des ÖFB-Teams leicht, so Hickersberger mit sarkastischem Unterton. „Ich werde ab sofort meine Sprechgeschwindigkeit erhöhen, und die Mannschaft wird auf einmal fantastischen, schnellen Fußball spielen. Ich antworte auf jede Frage wie aus der Pistole geschossen, auch wenn es noch so ein Blödsinn ist, und das Team spielt Tempo-Fußball wie in der englischen Premier League.“

Bei allem Zynismus ist sich „Hicke“ dennoch bewusst, welche Bedeutung seine persönliche Öffentlichkeitswirkung hat und nimmt bereits seit längerem Medien-Unterricht. „Ich hänge das aber nicht an die große Glocke, denn das wird an der Qualität des österreichischen Fußballs nichts ändern. Es würde mir höchstens Zeit ersparen, wenn ich mit einem Interview um 30 Sekunden schneller fertig bin.“

In seiner Rapid-Zeit erfreute sich Hickersberger beim grün-weißen Anhang großer Beliebtheit, auch wegen seiner oft emotionalen Aktionen nach umstrittenen Schiedsrichter-Entscheidungen. So zeigte er einmal einem Referee die Gelbe Karte, ließ sich aus Protest gegen seiner Meinung nach falsche Pfiffe einen Vollbart wachsen oder zeigte selbst die Auswechslungen mit der elektronischen Tafel an, was ihm des öfteren Geldstrafen oder einen Verweis auf die Zuschauerränge einbrachte. „Bei Rapid ist das ja manchmal in reines Theater ausgeartet, aber den Fans hat es gefallen“, meinte der Ex-Meistermacher der Hütteldorfer.

In seiner aktuellen Funktion sei ein derartiges Verhalten aber nicht mehr möglich, betonte der Coach. „Als Teamchef muss man ein gewisses Auftreten an den Tag legen. Ich kann mich nicht jedes zweite Spiel auf die Tribüne schicken lassen, nur um emotional zu wirken.“

Einen guten Coach machen laut Hickersberger ohnehin andere Qualitäten aus. „Für mich zählt bei der Einschätzung eines Trainers in erster Linie, ob es ihm gelingt, aus dem vorhandenen Spielerpotenzial das Optimum herauszuholen. Da zähle ich nicht einmal Titelgewinne, sondern frage: Was hat der Trainer an Spielern zur Verfügung, und was macht er daraus?“

Deswegen will Hickersberger auch nicht behaupten, dass er selbst nach Meistertitel und Champions-League-Einzug 2005 der beste Betreuer in Österreich gewesen sei. „Es ist nicht immer der Trainer, der Meister wird, der beste Trainer der Liga. Ich bin zwar der Meinung, dass ich mit Rapid in dieser Saison sehr viel erreicht habe, in Anbetracht der Konkurrenz und in Anbetracht der Spieler, die mir damals zur Verfügung gestanden sind. Aber vielleicht war der Trainer, der damals eine Mannschaft vor dem Abstieg gerettet hat, noch besser.“

  • VIENNA.AT
  • Fußball
  • "Hicke" verärgert über sein Image
  • Kommentare
    Kommentare
    Grund der Meldung
    • Werbung
    • Verstoß gegen Nutzungsbedingungen
    • Persönliche Daten veröffentlicht
    Noch 1000 Zeichen