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Hermann Beil spricht im Interview über die Krise am Wiener Burgtheater

Nach der Eskalation der Krise am Wiener Burgtheater soll nun rasch wieder Ruhe einkehren.
Nach der Eskalation der Krise am Wiener Burgtheater soll nun rasch wieder Ruhe einkehren. ©APA
Karin Bergmann wurde am Mittwoch als interimistische Burgtheaterdirektorin vorgestellt worden. Ihr zur Seite steht, ehrenamtlich beratend, Hermann Beil. Er hofft auf eine rasche Beruhigung des krisengeschüttelten Hauses in Wien.
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APA: Karin Bergmann wurde heute als Interimsdirektorin vorgestellt, Sie als ehrenamtlicher Berater. Was kann man sich unter dieser Berater-Funktion vorstellen?

Hermann Beil: Die kann man sich schon vorstellen, wenn es zwei Menschen sind, die sich kennen, die einander vertrauen und eine gemeinsame – auch erprobte – Vorstellung vom Theater haben. Insofern brauchen wir keine langen Umwege und müssen nicht endlos diskutieren, um auf den Punkt zu kommen. Da genügt manchmal auch ein Zuruf. Unsere Verbindung zueinander ist immer geblieben. Und es hat sich in den letzten Tagen wieder gezeigt, wie spontan wir miteinander sprechen können und uns austauschen. Ich habe ihr fest versprochen, dass ich, wann immer sie mich braucht, nach Wien komme. Und Telefon und E-Mail sind auch Kommunikationsmittel.

Können Sie Ihre Beratertätigkeit konkretisieren?

Ich werde involviert sein bei wichtigen Entscheidungen, manchmal auch in kleinen Dingen. Die Beratertätigkeit schließt auch Probenbesuche ein, wenn ich gebraucht werde. Die dramaturgische Arbeit, die ich seit vielen Jahren mache, ist ja eine Form der Leitung. Und es gibt sicherlich viele Dinge, die dramaturgisch beraten gehören, dafür stehe ich zur Verfügung. Etwa wenn Karin Bergmann möchte, dass ich mit Regisseuren spreche, mache ich das auch.

Sie kennen Frau Bergmann schon sehr lange – wie würden Sie ihren Arbeitsstil beschreiben? Was macht sie zur idealen Interimsdirektorin?

Sie ist sehr direkt und arbeitet zügig, erkennt Probleme und geht auf sie los. Und sie liebt Theater und Schauspieler und die Vielfalt eines Ensembles. Da hat sie einfach in der jetzigen Situation das Herz des Ensembles, da kann die Situation von einer Stunde zur anderen entstehen, dass man nicht mehr bedrückt sein muss.

Woran ist es gescheitert, dass nun nicht Sie beziehungsweise Sie im Duo mit Karin Bergmann die Burg interimistisch leiten?

Es ist meine persönliche Entscheidung. Die Beratertätigkeit ist nun meine Form, für die Burg etwas zu leisten. Es ist ein Haus, dem ich viel verdanke, wo ich in 13 Jahren, die ich dort war, unendlich viel erlebt habe. Ich habe diese nun gefundene Form vorgeschlagen und angeboten. Das könnte wunderbar funktionieren. Ich habe heute viele positive Reaktionen von Schauspielkollegen bekommen, per SMS, das zeigt mir, dass sie es richtig auffassen. Diese Form ist aber auch nur möglich zwischen Leuten, die sich lange kennen. Das kann man nicht mechanisch einrichten. Das hat eine wirkliche Basis.

Hätten Sie es auch allein machen wollen?

Ich bin jetzt 50 Jahre am Theater. Um glücklich zu sein, muss ich nicht Direktor sein. Ein Direktor, dem vertraut wird, ist lebenswichtig. Karin Bergmann kennt das Haus sehr gut und noch viel besser, weil sie auch in der Zeit, als ich schon lange weg war, das Haus mitgeleitet hat.

Was sind aus Ihrer Sicht die nächsten wichtigen Schritte?

Zunächst den Spielplan wirklich in der Konstruktion zu festigen. Für die geplanten Stücke, die nun ja wegfallen, weil das Stücke von Hartmann sind, muss eine Alternative gefunden werden.

Frau Bergmann hat heute signalisiert, dass sie sich, zunächst was das Stück “Der falsche Film” betrifft, weiterhin eine Zusammenarbeit mit dem Regisseur Hartmann vorstellen kann…

Was den “Falschen Film” betrifft, fände ich das sehr schön. Die Aufführung ist praktisch fertig, bedarf nur mehr einiger Proben. Das wegzuschmeißen fände ich sehr schade und traurig. Es ist ja die Arbeit der Schauspieler, die an der Entstehung beteiligt waren. Es wäre eine Geste den Schauspielern gegenüber, diese Arbeit zu zeigen. Ich hoffe, dass man in Wien so großzügig ist, zu trennen zwischen den ganzen Vorwürfen und Problemen und künstlerischer Arbeit. Wenn ein Klima entsteht, in dem man sachlich und kollegial arbeiten kann, warum nicht? Ich habe Hartmann praktisch an die Burg geholt als ich Dramaturg war. Er hat ja sehr schön gearbeitet. Er ist ein wirklich guter Regisseur. Es ist nun wichtig, dass die Konstellation stimmt und man unbelastet und konzentriert arbeiten kann.

Wie haben Sie Hartmanns Direktion – künstlerisch und persönlich – empfunden?

Es gab eine große Vielfalt, aber ich muss zugeben, nicht viele Aufführungen gesehen zu haben, ich bin ja selbst ziemlich stark unterwegs. Aber bei allen Gastaufritten mit den Bernhard-Dramoletten fühlte ich mich immer sofort zu Hause. Immer wenn ich in die Burg komme ruft der Portier: “Herr Beil, für Sie ist Post da.”

Wie kann es an einem staatlich finanzierten Theater aus Ihrer Sicht überhaupt zu einer Situation wie der jetzigen kommen?

Ich weiß es nicht. Ich bin tief traurig. Wenn ich meine junge Assistentenzeit dazurechne, bin ich 50 Jahre am Theater, aber so etwas habe ich noch nie erlebt. Es ist mir unbegreiflich, dass ein Theater wie das Burgtheater mit diesen Problemen und Vorwürfen konfrontiert ist. Was in den Internet-Kommentaren an Schmutz geworfen wird tut mir richtig weh. Ich hoffe, dass das nun schlagartig aufhören kann. Vielleicht korrespondiert die Einzigartigkeit des Burgtheaters mit der Einzigartigkeit dieses Skandals. (APA)

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