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Hellas-Schuldenberg wächst mit drittem Hilfspaket

Bis Ende 2018 mit Schulden von fast 200 Prozent des BIP zu rechnen
Bis Ende 2018 mit Schulden von fast 200 Prozent des BIP zu rechnen ©EPA
Der griechische Schuldenberg dürfte nach neuen Berechnungen des Internationalen Währungsfonds (IWF) mit dem anvisierten dritten Hilfsprogramm der Eurozone noch einmal drastisch wachsen.
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Bis Ende 2018 sei mit einem Schuldenstand von fast 200 Prozent der jährlichen Wirtschaftsleistung zu rechnen, heißt es in einer dreiseitigen IWF-Unterlage, die Reuters am Dienstag in Brüssel vorlag.

“Die griechischen Schulden sind in höchstem Maße unhaltbar geworden”, heißt es in der Aktualisierung der vor knapp zwei Wochen veröffentlichten IWF-Analyse zur Schuldentragfähigkeit weiter. Das Land benötige Schuldenerleichterungen weit jenseits der bisherigen Erwägungen.

Euro-Länder gegen Schuldenerlass

Griechenland und die anderen Euro-Länder hatten sich am Montag auf die Umrisse eines weiteren Hilfspakets im Umfang von bis zu 86 Mrd. Euro geeinigt. Das sind rund 25 Mrd. Euro mehr als der IWF zuletzt noch angenommen hatte. Darin war für 2022 von einer Schuldenstandsquote von 142 Prozent die Rede, nun rechnet der IWF mit 170 Prozent.

grehilfe
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Die Euro-Länder hatten einen Schuldenerlass ausgeschlossen, wollen aber über eine weitere Verlängerung der Kreditlaufzeiten sprechen. Dem IWF zufolge müssten alle bisherigen und künftigen Hilfskredite auf mindestens 30 Jahre gestreckt werden, um die Schuldenlast tragbar zu machen. Griechenland hatte bereits in den beiden ersten Programmen rund 230 Mrd. Euro erhalten.

Optionen für eine Übergangsfinanzierung

Griechenland braucht dringend Geld. Zwar haben die Regierungen der Euro-Länder Athen am Montag weitere Hilfen von bis zu 86 Mrd. Euro in Aussicht gestellt. Die Detail-Verhandlungen für das Paket werden aber wohl mindestens vier Wochen dauern. Wie kann eine Übergangsfinanzierung also aussehen, um eine Pleite und Chaos noch abzuwenden?

Die griechische Regierung ist bereits beim Internationalen Währungsfonds (IWF) in Zahlungsverzug, hat am 30. Juni eine Rate von knapp 1,6 Mrd. Euro nicht überwiesen und blieb auch am Montag die fälligen 456 Mio. Euro schuldig. Am 20. Juli muss Athen – neben der nötigen Auszahlung von Gehältern für griechische Staatsbedienstete und Pensionen in diesem Monat – 3,6 Mrd. Euro an die Europäischen Zentralbank (EZB) zahlen. Weitere Tranchen stehen im August an. Laut Erklärung des jüngsten Euro-Sondergipfels benötigt Griechenland allein bis zum 20. Juli voraussichtlich 7 Mrd. Euro und weitere 5 Milliarden bis Mitte August.

BILATERALE KREDITE

Der einfachste Weg für eine Brückenfinanzierung wären bilaterale Kredite. Diese könnten später eventuell aus dem Hilfsprogramm des Rettungsfonds ESM für Griechenland bedient werden. Frankreich hat diese Form der Hilfe aber auf dem Sondergipfel am vergangenen Wochenende bereits abgelehnt, obwohl die Regierung in Paris öffentlich am meisten für Solidarität mit Griechenland geworben hatte. Italien will nur bei dieser Option mitmachen, wenn sich alle anderen Euro-Staaten dazu bereit erklären. Dass die deutsche Regierung sich mit einem bilateralen Kredit beteiligt, gilt als unwahrscheinlich. Dafür müsste der Bundestag als Oberaufseher des Haushalts seine Zustimmung geben.

In einem Diskussionspapier des Finanzministeriums für die Eurogruppe von Freitag heißt es aber, dass die Euro-Staaten nicht das finanzielle Risiko für die Übergangslösung übernehmen sollten. Denn es gibt immer noch die Gefahr, dass Griechenland einige Milliarden erhält und dann doch nicht die für das ESM-Programm nötigen Reformen liefert. Dann müssten die Staaten mit dem Geld von Steuerzahlern für die bilateralen Kredite haften.

EFSM-MITTEL

Eine weitere Möglichkeit wäre der Weg über den EFSM. In dem 2010 aufgelegten Europäischen Finanzstabilisierungsmechanismus sind noch 13,2 Mrd. Euro vorhanden. Allerdings erfordert dieser Weg die Zustimmung der 28 EU-Staaten, also auch der neun Nicht-Euro-Länder. Denn die Haftung läge bei der EU. Großbritannien und Tschechien haben bereits klar gemacht, dass sie diese Variante ablehnen.

Für die Zustimmung zur Freigabe der EFSM-Mittel ist nur eine qualifizierte Mehrheit im Rat der EU-Finanzminister notwendig – Großbritannien könnte also theoretisch überstimmt werden. Angesichts der Anti-EU-Stimmung in Teilen der britischen Politik und der Aussicht auf ein Referendum über den Verbleib des Königreichs in der EU gilt es aber als unwahrscheinlich, dass EU-Vertreter es in so einem wichtigen Punkt auf ein Zerwürfnis mit London ankommen lassen wollen.

SCHULDSCHEINE (IOU)

Eine weitere Variante wären Schuldenscheine, sogenannte IOUs (“I owe you”). Kalifornien ist hier ein Vorbild. Der US-Bundesstaat hatte diese Schuldscheine zeitweise ausgehändigt, nachdem er wegen eines Haushaltsstreits vorübergehend zahlungsunfähig war. Die IOUs wurden etwa als Gehälter ausgezahlt und es wurde geregelt, dass diese als Zahlungsmittel eingesetzt werden können. Der Staat tauschte die Scheine nach der Lösung des Haushaltsstreits wieder in Dollar um, kaufte sie de facto also zurück. Deshalb galten die IOUs nicht als eigene Währung.

Im Falle Griechenlands gibt es aber in einigen Euro-Staaten wie Frankreich die Sorge, dass dies der Einstieg in eine Parallel-Währung oder den “Grexit” sein könnte. Die Überlegung im deutschen Finanzministerium ist dagegen: Schuldscheine könnten ein zusätzlicher Anreiz für die Griechen sein, das ESM-Hilfsprogramm wirklich abzuschließen, weil man nur so wieder die nötigen Euro für den Rückkauf erhielte.

WEITERE EZB-HILFEN

Ansonsten könnte EZB-Präsident Mario Draghi der Eurozone erneut unter die Arme greifen. So könnte die EZB die Obergrenze für das Engagement von Hellas-Banken in kurzlaufenden griechischen Anleihen (T-Bills) anheben, die zuletzt bei 15 Mrd. Euro lag. Allerdings ist auch diese Variante umstritten, weil manche Ökonomen der Meinung sind, dass die EZB mit ihrer Rückendeckung für Hellas-Banken den Bogen ohnehin schon überspannt hat und die Erhöhung des T-Bill-Rahmens eine monetäre Staatsfinanzierung wäre, die ihr eigentlich verboten ist.

Als weitere Möglichkeit gilt die Umwidmung von Gewinnen, welche durch den Kauf griechischer Staatsanleihen im sogenannten SMP-Programm entstanden sind. Davon waren bereits 1,9 Mrd. Euro für 2014 im mittlerweile ausgelaufenen Hellas-Hilfsprogramm vorgesehen gewesen.

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