AA

Hans Peter Doskozil wird mit 53 Prozent neuer SPÖ-Chef

Doskozil wird neuer SPÖ-Chef.
Doskozil wird neuer SPÖ-Chef. ©APA/HELMUT FOHRINGER
Mit 53 Prozent der Stimmen wird Hans Peter Doskozil neuer Vorsitzender der SPÖ und damit auch Spitzenkandidat bei der nächsten Nationalratswahl.
Sonderparteitag der SPÖ zu Parteivorsitz
Rendi-Wagner zieht sich zurück
Babler: "Stehe natürlich keinesfalls für einen EU-Austritt"

Am außerordentlichen Parteitag in Linz erhielt er 53 Prozent der Stimmen, 46,8 Prozent votierten für Gegenkandidat Andreas Babler. Amtsinhaberin Pamela Rendi-Wagner war nicht mehr angetreten, nachdem sie bei der Mitgliederbefragung hinter Doskozil und Babler nur Platz drei errungen hatte. Sie blieb dem Parteitag fern. Der Rest entfiel auf ungültige Stimmen. Das "einfache Parteimitglied" Berthold Felber, das auch Parteichef werden wollte, erhielt keine Stimme.

Doskozil zeigte sich in seiner Siegesrede "überwältigt

In seiner Siegesrede, bei der er anfangs fast nicht zu seiner Stimme fand, zeigte sich Doskozil "überwältigt". "Es ist auch mein Lebenstraum, an der Spitze der Sozialdemokratie stehen zu dürfen." Seinen unterlegenen Widersacher Babler bat er auf die Bühne, es gab einen Handshake und eine flüchtige Umarmung, was bei den Delegierten für Jubel und Standing Ovations sorgte. Doskozil dankte dem "lieben Andi" umgehend dafür, dass er zu diesem "symbolischen Schritt des aufeinander Zugehens" bereit gewesen sei.

Die weiteren Ziele sparte er nicht aus. Er wolle die SPÖ zum "Non plus ultra für die nächsten Wahlen machen". Und auch ein Versprechen gab der burgenländische Landeshauptmann gleich ab: "Es wird, sollten wir die Wahl gewinnen, möglicherweise Erster werden, es wird keine Koalition mit der Freiheitlichen Partei geben." Die FPÖ habe die Bevölkerung gespalten, ob beim Asyl- oder beim Coronathema: "Das geht sich nicht aus."

Absage für die Volkspartei

Und auch für die Volkspartei gab es eine Absage. "Auch das will ich in Angriff nehmen: Keine Koalition mit der ÖVP." Er habe diese im Burgenland und im Bund erlebt, mit allen Tricksereien immer nur am Machterhalt interessiert. "Wir öffnen ihnen jetzt nicht mehr die Tür. Wir müssen so stark werden, dass wir diese Dreierkoalition schaffen", sagte er zur von ihm angestrebten Regierung aus SPÖ, Grünen und NEOS.

Babler zeigte sich als fairer Verlierer

Babler zeigte sich als fairer Verlierer. Er sei Demokrat und akzeptiere das Ergebnis natürlich, meinte er im Gespräch mit Journalisten. Er werde der Partei auch in Zukunft überall zur Verfügung stehen, wie er das in den vergangenen 35 Jahren gehalten habe. An die mit der Mitgliederbefragung neu eingetretenen Mitglieder, die zum Großteil ihn unterstützt haben dürften, appellierte der Traiskirchener Bürgermeister, sich weiter in der Partei zu engagieren. Dass die jüngst bekannt gewordene EU-Schelte Grund für seine Niederlage gewesen sein könnte, glaubt Babler nicht. Klare Ansagen täten der SPÖ ganz gut.

Der Wahlgang hatte rund eine Stunde in Anspruch genommen. Davor waren die jeweils 45-minütigen Reden der beiden Vorsitz-Anwärter mit großem Beifall und teils stehenden Ovationen aufgenommen worden. Besonders Babler gelang es, mit einer pathetischen, lautstark vorgetragenen Rede die Delegierten zu begeistern. Beide referierten noch einmal ihre aus der Kampagne zur Mitglieder-Befragung bekannten Positionen und versuchten gezielt, vor allem Gewerkschafter und Frauen zu adressieren.

APA ©APA

Auch der oberösterreichische Vorsitzende Michael Lindner sowie sein Salzburger Kollege David Egger, die Doskozil bereits im Vorfeld unterstützt hatten, sandten Glückwunsch-Adressen aus. Der stellvertretende steirische Landeshauptmann-Stellvertreter Anton Lang zeigte sich überzeugt davon, dass Doskozil der Richtige an der SPÖ-Spitze sei und dass dieser die nächste Nationalratswahl gewinnen sowie "unsere Bewegung wieder einen und die Sozialdemokratie wieder zu alter Stärke führen" wird. Nach durchaus lebendigen Wochen in der Sozialdemokratie "werden wir gemeinsam aufbrechen zu neuer Stärke und Geschlossenheit", zeigte sich Tirols Landeshauptmann-Stellvertreter Georg Dornauer überzeugt.

Ähnliche Töne kamen aus Niederösterreich. Der designierte SPÖ-Landesvorsitzende Sven Hergovich und Landesgeschäftsführer Wolfgang Zwander betonten in einer gemeinsamen Stellungnahme, dass nun rasch neue Geschlossenheit gefunden werden müsse, "um die Sozialdemokratie zu einen und zu stärken - mit einem Team, das die gesamte Breite der Partei abbildet".

Der größte Misston beim Parteitag kam ganz zum Schluss. Bei "Lied der Arbeit" und "Internationaler" fiel das Tonband aus und die Delegierten mussten die Gesangsdarbietung a capella bestreiten.

Auch der oberösterreichische Vorsitzende Michael Lindner sowie sein Salzburger Kollege David Egger, die Doskozil bereits im Vorfeld unterstützt hatten, sandten Glückwunsch-Adressen aus.

Geklärt werden müssen nun noch weitere personelle Fragen, hat doch Christian Deutsch mit den heutigen Parteitag seinen Job als Bundesgeschäftsführer zurückgelegt. Die Nachfolge dürfte Anfang kommender Woche geklärt werden. Danach muss der Klub noch über einen neuen Vorsitz entscheiden, zieht sich doch Rendi-Wagner mit Ende des Monats auch aus dem Parlament zurück.

APA ©APA

Sonderparteitag: Hans Peter Doskozil wird SPÖ-Chef

Insgesamt verlief der Parteitag angesichts der Emotionen fast überraschend sehr friedlich und sachlich. So verzichteten Doskozil und Babler auch auf eine eigentlich vorgesehene Widerrede nach Abschluss der Delegiertenbeiträge.

Lange hat er gewartet, fast zu lange. Doch jetzt hat es Hans Peter Doskozil gerade noch geschafft, den Vorsitz der SPÖ zu erklimmen. Mit seinem Sieg am Parteitag von Linz hat der 52-Jährige zwei schwierige Aufgaben vor sich. Einerseits soll er die nächste Wahl gewinnen, andererseits die Partei einen, wobei letzteres gerade für Doskozil der mühsamere Job werden könnte.

Vorbehalte gegen Doskozil

Vorbehalte gegen den burgenländischen Landeshauptmann gibt es etliche. Das beginnt schon damit, dass er sich mit seinen Dauerangriffen gegen Vorgängerin Pamela Rendi-Wagner den Ruf des Querschützen erworben hat. Doskozil gilt auch nicht unbedingt als Teamplayer. Was er anschafft, soll auch so geschehen, wird dem gelernten Exekutivbeamten und vormaligen Verteidigungsminister nachgesagt. Hinzu kommt noch, dass sein restriktiver Kurs in der Migrationsfrage den linken Parteiflügel seit jeher vor Zorn erbeben lässt.

Dass sich Doskozil bei den Delegierten trotz Stimmproblemen nach einigen Kehlkopfoperationen letztlich durchgesetzt hat, hängt wohl in erster Linie damit zusammen, dass man ihm als einzigem zutraut, in die Wählerschichten von ÖVP und FPÖ zu wirken. Auch wenn er sich auf eine Ampel festgelegt hat, sind zudem andere Konstellationen unter Einbindung der SPÖ mit ihm als Parteichef deutlich realistischer, als es das mit seinem Kontrahenten Andreas Babler gewesen wäre.

APA ©APA

Doskozil soll Parteivorsitzenden-Amt weniger angestrebt haben als Nationalrats-Kandidatur

Der Südburgenländer soll auch das Amt des Parteivorsitzenden deutlich weniger angestrebt haben als die Spitzenkandidatur bei der kommenden Nationalratswahl, die ja ebenfalls am Samstag entschieden wurde. Kanzler werden und dann Österreich am burgenländischen Wesen genesen lassen, dürfte Doskozil Gedanke sein. Denn in der kleinen Welt seines Heimatbundeslands hat Doskozil, der seit seinem Wahltriumph vor drei Jahren absolut regiert, ordentlich umgerührt und das auch abseits bekannter sozialdemokratischer Rezepte.

Die Anstellung pflegender Angehöriger durch das Land sowie eine Offensive zum Kauf von Wohn-Eigentum sind dabei ebenso wenig rotes Allgemeingut wie der Vorstoß, einen Mindestlohn auch gesetzlich - sprich an den Sozialpartnern vorbei - durchzusetzen. Dass er die Arbeitszeitverkürzung mit Blick auf den Arbeitskräftemangel ablehnt, ist überhaupt ganz offen gegen die Parteilinie.

Schwierigkeiten bei der Migrationspolitik

Eine Verständigung innerhalb der Partei scheint bei gutem Willen in all diesen Themenfeldern dennoch möglich. Schwierig wird es jedoch in der Migrationspolitik. Dort passt zwischen die Positionen zumindest von ÖVP und Doskozil kein Blatt Papier. Selbst die medial viel diskutierte Aufnahme von Kindern aus dem desolaten Flüchtlingslager Moria lehnte er ab. Doskozil will seinen Fokus auf den Außengrenzenschutz legen und Migration und Asylwesen strikt trennen.

Diese Positionierung hat vor allem in der ländlichen Bevölkerung dazu beigetragen, dass Doskozil als einer wahrgenommen wird, der die einfachen Menschen versteht - abgesetzt von einer abgehobenen Politik, wie sie zuweilen der Bundeshauptstadt zugeordnet wird. Auch wenn Doskozil bescheiden auftritt, hat er schon Sinn für einen gewissen Glamour-Faktor. Wirtschaftlich beraten lässt er sich von Altkanzler Christian Kern, mit dem er dereinst noch seine Sträuße ausgefochten hatte, kulturell spiel Alfons Haider als Zampano des burgenländischen Bühnenlebens die erste Geige. Privat ist diese Rolle übrigens seiner deutschen Frau Julia überlassen. Aus einer früheren Verbindung hat Doskozil zwei Kinder.

Doskozil ist über Umwege nach oben gekommen

Nach oben gekommen ist er nicht durch eine Ochsentour durch die Partei sondern über Umwege. Im Süden des Burgenlands aufgewachsen trat er nach der Matura der Polizei bei und arbeitete sich dort bis zum Landespolizeidirektor seines Heimatbundeslandes hoch, wobei hierfür eine zwischenzeitliche Tätigkeit als Büroleiter des damaligen Landeshauptmanns Hans Niessls durchaus hilfreich gewesen sein dürfte.

Neben seinem Dienst bei der Exekutive absolvierte er berufsbegleitend ein Jus-Studium, kommunalpolitisch war er im Gemeinderat seiner Heimatgemeinde Grafenschachen aktiv. Doskozils erste große politische Stunde war mit einer Tragödie verbunden, dem Tod dutzender Flüchtlinge in einem Lastwagen auf der A4. Der Landespolizeidirektor agierte betroffen wie umsichtig und schaffte sich über die eigenen Bundesland-Grenzen hinweg Anerkennung. Dies galt umso mehr, als er unmittelbar danach den Flüchtlingsstrom 2015 in Nickelsdorf souverän managte.

Faymann war auf Doskozil aufmerksam geworden

Werner Faymann war auf Doskozil in der Flüchtlingskrise aufmerksam geworden und holte ihn als Verteidigungsminister in seine Bundesregierung. Der Neo-Ressortchef fremdelte mit seiner neuen Rolle keine Sekunde und schaffte sich im Ministerium schnell Freunde, umso mehr als er für das Heer mehr Geld herausholte und auch für dessen Image so einiges tat.

Als sich die SPÖ aus der Regierung verabschieden musste, ging es zurück in die Heimat. Niessl kürte Doskozil zu seinem Kronprinzen. Den Umweg als Landesrat für das Finanzressort hatte er noch zu überstehen, ehe ihn die Landespartei 2018 zuerst an ihre Spitze und im Frühling darauf in den Landeshauptmann-Sessel hob. Dieser schon paktierte Wechsel holte ihn damals auch aus dem Rennen um Christian Kerns Nachfolge als SPÖ-Vorsitzender. Das damals verpasste konnte er heute nachholen. Ob er sich auch bundespolitisch als Macher behaupten wird können, dürfte bei der Nationalratswahl im kommenden Jahr entschieden werden. Seinen Posten als Landeshauptmann wird Doskozil davor aufgeben.

(APA/Red)

  • VIENNA.AT
  • Österreich
  • Hans Peter Doskozil wird mit 53 Prozent neuer SPÖ-Chef
  • Kommentare
    Kommentare
    Grund der Meldung
    • Werbung
    • Verstoß gegen Nutzungsbedingungen
    • Persönliche Daten veröffentlicht
    Noch 1000 Zeichen