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Hans Gratzer gestorben

Hans Gratzer &copy APA
Hans Gratzer &copy APA
Der Regisseur und Theaterleiter Hans Gratzer ist Mittwoch Abend in seinem Haus in Niederösterreich an den Folgen einer Krebserkrankung gestorben. Gratzer, der das österreichische Theater über Jahrzehnte mitgeprägt hat, wurde 63 Jahre alt.

In der österreichischen Off-Theaterszene war er einer der wichtigsten, innovativsten und agilsten Protagonisten. Nach vier Jahrzehnten an Klein- und Mittelbühnen träumte er davon, am traditionsreichen Theater in der Josefstadt auch alt gediente Abonnenten mit seiner Theaterbegeisterung anstecken zu können. Aus dem Traum wurde rasch ein Albtraum. Schon kurz nach dem verpatzten Saisonauftakt begannen die Intrigen gegen ihn. Zum Zeitpunkt seiner im Jänner 2004 überraschend beschlossenen Ablöse mit Ende seiner ersten Saison war Gratzer bereits schwer krank. Mit großer Energie kämpfte er gegen eine Krebserkrankung und war Co-Regisseur von Brechts „Dreigroschenoper“, der Eröffnungspremiere dieser Saison. Zuletzt wurde er mit dem „Nestroy“-Preis für sein Lebenswerk geehrt. Mittwoch Abend ist Hans Gratzer gestorben.

Gratzer schmiss Reinhardt-Seminar

Hans Gratzer wurde am 16. Oktober 1941 in Wiener Neustadt geboren. Schon nach drei Semestern brach er die Ausbildung am Max-Reinhardt-Seminar ab und gründete 1963 „Das Kammertheater in der Piaristengasse“, wo er mit „Das Spiel von Liebe und Zufall“ von Marivaux seinen Einstand als Regisseur gab. Danach arbeitete zunächst vor allem als Schauspieler in Hamburg und München, der Josefstadt, dem Volks- und dem Burgtheater, ehe er 1973 die „Werkstatt“ im Theater am Kärntnertor gründete und dort mit seinen Inszenierungen Aufsehen erregte. Die „Werkstatt“ wurde mit Aufsehen erregenden Inszenierungen (u.a. „Elisabeth I.“), die ihm sowohl den Förderungspreis zur Kainzmedaille als auch später die Kainzmedaille selbst eintrugen, ein Markenzeichen.

Nach der Schließung des Kärntnertor-Theaters gründete er 1977 das Schauspielhaus, das 1978 eröffnet und bis 1986 von ihm geleitet wurde. Die Arbeit des Regisseurs Hans Gratzer mit zeitgenössischen Autoren – das ist ein ebenso langes wie wichtiges Kapitel der Wiener Theatergeschichte wie seine Leitungstätigkeit am Wiener Schauspielhaus. Mit pointierten Klassikerinszenierungen, Gegenwartsdramatik und später auch Musical-Produktionen (wie „Rocky Horror Show“) wurde das Schauspielhaus eine allererste Theater-Adresse, die weit über Wien hinaus wirkte.

Mangelnder Publikums-Zuspruch

Nach einem Intermezzo als freier Regisseur in Zürich, München, Berlin und Frankfurt – während George Tabori das Schauspielhaus als „Der Kreis“ führte – kehrte Gratzer 1991 bis 2001 für eine zweite Direktionszeit zurück. Mit einem ausschließlich an Ur- und Erstaufführungen orientierten Konzept wollte er die Bühne als erstrangiges deutschsprachiges Gegenwartstheater positionieren. Zu seinen größten Erfolgen zählt die Entdeckung des Dramatikers Werner Schwab, viele Produktionen (rund ein Drittel von ihnen wurde von Gratzer selbst inszeniert) wie etwa „Angels in America“ sorgten für Gesprächsstoff und Kritiker-Aufmerksamkeit, mangelnder Publikums-Zuspruch führte jedoch zur allmählichen Hinterfragung des Konzeptes und schließlich zu einer Abschieds-Saison mit Musiktheater-Produktionen im Theaterraum und dem „Autoren-Schaufenster“ im kleinen Gassenlokal.

2001 wurde Hans Gratzer als künstlerischer Leiter des Theaters in der Josefstadt ab der Saison 2003/04 bestellt. Mit einem prononciert österreichischen Spielplan und einer positiven Herangehensweise auf die Dinge („Die Menschen sollen positiv bestärkt, neugierig, intelligent unterhalten aus dem Theater gehen.“) wollte er den Spagat zwischen Tradition und Innovation, zwischen der überalterten Abonnentenstruktur der Josefstadt und den Ansprüchen modernen Theaters schaffen.

Trendwende zeichnete sich ab

Als Hypothek erwies sich schon das Konzept eines Einheitsbühnenbildes. Die ersten Premieren, Adolf Bäuerles „Aline“, Nestroys „Mann, Frau, Kind“ und Grillparzers „Der Traum ein Leben“ gingen teilweise arg daneben, erst mit dem Erfolg von „Der Alpenkönig und der Menschenfeind“ im Dezember zeichnete sich eine Trendwende ab, die mit den nachträglich bekannt gewordenen Auslastungszahlen auch bestätigt wurde. Zu spät.

Die Gesellschafter des Theaters nahmen eine Zusage Gratzers, ab 2006 die Bad Hersfelder Festspiele zu leiten, zum Anlass, Gratzer ihr Vertrauen aufzukündigen und Helmuth Lohners Rückkehr zu beschließen. „Ich habe nicht den erhofften und aus meiner Sicht unerlässlichen Rückhalt erhalten“, kommentierte Gratzer die Vorgänge. Deutlicher durfte er nicht werden: Seine Verpflichtung für weitere Regiearbeiten interpretierten nicht nur böswillige Beobachter als Maulkorb für den scheidenden Intendanten, der sich danach tatsächlich gegenüber der Presse nie über die Begleitumstände seines erzwungenen Abgangs geäußert hat.

“Weiterführung von Hans Gratzers Arbeit in seinem Sinne”

Seine schwere Erkrankung führte schließlich auch dazu, dass Gratzer im Dezember des Vorjahres bekannt gab, 2006 seine Intendanz bei den Bad Hersfelder Festspielen nicht antreten zu können. Als künstlerische Direktorin wird seine langjährige enge Mitarbeiterin Elke Hesse den von ihm vorbereiteten Spielplan realisieren – als „Weiterführung von Hans Gratzers Arbeit in seinem Sinne.“

Im November 2004 nahm der von seiner Krankheit sichtlich geschwächte Theatermann im Wiener Ronacher die „Nestroy“-Auszeichnung für sein Lebenswerk entgegen. „Damals bist du wie ein Magier über uns gekommen und hast uns alle verhext“, sagte der designierte Volkstheater-Intendant Michael Schottenberg in Erinnerung an einstige, gemeinsame „Schauspielhaus“-Tage in seiner Laudatio, „Dein Theater war wie ein Magnet, wie ein Schmelztiegel für alle, die mit Theater zu tun haben wollten.“ Er überreichte Gratzer, der mit lang anhaltenden standing ovations des Publikums gefeiert wurde, den Preis: „Du gehörst zu jenen, die in Wien die Türen für ein lebendige und neues Theater geöffnet haben – und dafür lieben wir dich, Hans!“ Die Preisverleihung blieb Hans Gratzers letzter öffentlicher Auftritt.

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