Hamas: Rasche Regierungbildung
Hamas-Führer Ismail Haniyeh kündigte am Mittwoch an, dem Kabinett sollten ein Christ und zwei Frauen angehören. Haniyeh gilt als aussichtsreichster Anwärter auf das Amt des palästinensischen Ministerpräsidenten. Israels Verteidigungsminister Shaul Mofaz hat unterdessen mit dem Abbruch der Kontakte gedroht, sollte das neue palästinensische Parlament einen Hamas-Vertreter an seine Spitze wählen.
Die 132 neu gewählten Abgeordneten kommen am Samstag in Ramallah zu ihrer ersten Sitzung zusammen. Hamas-Mandatare wie Mushir al-Masri erklären nach wie vor auf ihren Kundgebungen, die Bewegung werde an ihrem Ziel der Zerstörung Israels festhalten. Wenn die Palästinenser einen Parlamentspräsidenten oder Ministerpräsidenten aus den Reihen der Hamas wählen, wird Israel sofort alle Kontakte zu der palästinensischen Behörde abbrechen, sagte Mofaz der israelischen Tageszeitung Yedioth Ahronoth (Mittwoch-Ausgabe).
Die Hamas verfügt im neuen Legislativrat über die absolute Mehrheit. Neben ihr und der bisher regierenden Fatah sind die marxistische Volksfront für die Befreiung Palästinas (PFLP), ein kleines Linksbündnis, die Gruppe Unabhängiges Palästina des Menschenrechtsaktivisten Mustafa Barghouti und die Bewegung Dritter Weg von Salam Fayed und Hanan Ashrawi im Parlament vertreten.
Israel müsse seine feste Haltung unmissverständlich zeigen, betonte Mofaz. Er räumte in dem Interview zugleich ein: Die Palästinenser haben für die Hamas gestimmt, weil sie von Korruption und Anarchie genug hatten, nicht wegen der Ideologie. Maßnahmen Israels könnten in der Zukunft zu palästinensischen Neuwahlen führen. Die US-Regierung hat einen Bericht der New York Times dementiert, wonach sie angeblich gemeinsam mit Israel an einem Plan zur Destabilisierung einer Hamas-geführten Regierung arbeitet. Einen solchen Geheimplan gebe es nicht, sagte am Dienstag (Ortszeit) in Washington der Sprecher des Weißen Hauses, Scott McClellan. Er betonte, dass die USA den Ausgang der palästinensischen Wahlen akzeptierten.
Die Türkei hat eine Vermittlerrolle angeboten. Außenminister Abdullah Gül sagte am Dienstagabend nach einem Gespräch mit seinem deutschen Kollegen Frank-Walter Steinmeier in Ankara, sein Land habe gute Kontakte zu allen Seiten. Es sei bereit, diese einzusetzen, um eine Fortsetzung des Friedensprozesses im Nahen Osten zu ermöglichen. Die Hamas habe die Wahl auf demokratische Weise gewonnen. Damit sei eine neue Situation entstanden, in der die Türkei helfen müsse und wolle, soweit dies möglich sei.
Eine Hamas-Delegation wird Ende Februar nach Moskau reisen; sie soll von Politbürochef Khaled Mashaal (Mechaal) angeführt werden. Russlands Präsident Wladimir Putin hatte die Hamas nach deren Wahlsieg aufgerufen, das Existenzrecht Israels anzuerkennen und sich auf einen friedlichen Dialog einzulassen. Russland habe – anders als die USA und die EU – die Hamas nie als terroristische Organisation bezeichnet, sagte der Präsident. Russland ist Mitglied des so genannten Nahost-Quartetts, zu dem auch die UNO, die USA und die EU gehören. Instrument des Quartetts ist die Roadmap, ein Friedensfahrplan mit dem Endziel, dass Israel und Palästina als zwei souveräne Staaten nebeneinander existieren.