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Halluzinogen! Die dunkle Seite des „Mad Honey“: Wenn Honig zur Droge wird

©APA
Der „Mad Honey“ der Himalaya-Bienen wirkt berauschend und heilsam, doch die Ernte ist ein riskantes Ritual. Wissenschaftliche Studien zeigen die Wirkung des psychoaktiven Honigs und die historische Bedeutung – auch als Waffe.

Die Gurung und das riskante Handwerk der Honigjagd

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In den abgelegenen Regionen des Himalayas riskieren die Gurung und andere Gemeinschaften seit Jahrhunderten ihr Leben für die Ernte des „Mad Honey“. Einmal im Jahr begeben sich Jäger in die steilen Klippen und erklimmen meist ohne Sicherung die Felswände, um an die seltenen Waben der Riesenhonigbiene (Apis laboriosa) zu gelangen. Die Bienen, die bis zu drei Zentimeter lang werden und auch durch Kleidung stechen können, verteidigen ihre riesigen Waben vehement. Trotz der Gefahren setzen die Gurung auf die psychoaktiven Wirkungen des Honigs und nutzen ihn in geringen Dosen als Heilmittel – und traditionelles Aphrodisiakum.

Grayanotoxine – Die wissenschaftlichen Hintergründe der „Mad Honey Disease“

Die berauschende Wirkung des Honigs geht auf Grayanotoxine zurück, die im Nektar von Rhododendren enthalten sind. Studien zeigen, dass diese Neurotoxine auf den menschlichen Körper drastische Auswirkungen haben können: In niedrigen Dosen wirken sie halluzinogen und euphorisierend, in höheren Dosen können sie jedoch zu Herzrhythmusstörungen, Lähmungen und im Extremfall sogar zu Kreislaufkollaps führen. Die Giftstoffe halten Natriumkanäle in den Zellmembranen offen und verursachen eine „Mad Honey Disease“ genannte Vergiftung.

Bereits die Einnahme von fünf bis 30 Gramm kann Vergiftungen auslösen, darunter:

  • Schwindel und Erbrechen
  • langsamer Herzschlag und niedriger Blutdruck
  • Lähmungen und in schweren Fällen Kreislaufversagen

Die historische Rolle des „Mad Honey“ – Eine tödliche Waffe im antiken Krieg

Dass der „Mad Honey“ seine Tücken hat, war bereits in der Antike bekannt: König Mithridates von Pontus setzte den Honig in einem strategischen Hinterhalt als Waffe gegen die römischen Besatzer ein. Mithridates ließ Honigwaben entlang des Weges platzieren, den eine große Gruppe römischer Soldaten von Pompeius nutzte. Die Römer, die von der Süße des Honigs angezogen wurden, erlagen den starken halluzinogenen Effekten und waren anschließend nicht mehr kampffähig, sodass die Armee des Königs die Römer ohne Widerstand überwältigen konnte. Auch griechische Naturforscher wie Dioskurides beschrieben die Vor- und Nachteile dieses besonderen Honigs.

Weltweite Begeisterung und Gefahren des halluzinogenen Honigs

Der „Mad Honey“ bleibt weltweit beliebt – nicht nur in Nepal. In der Türkei ist der sogenannte „Deli Bal“ (wörtlich: verrückter Honig) ein Bestandteil der traditionellen Medizin und wird als Aphrodisiakum oder Mittel gegen Magenbeschwerden genutzt. Dasselbe Honigprodukt wird in Südkorea, China und Japan hochpreisig verkauft. Wissenschaftler sehen jedoch die steigende Nachfrage kritisch: Der Honig ist oft falsch dosiert und unsachgemäße Einnahmen häufen sich, was zunehmend zu teils tödlichen Vergiftungen führt.

"Honig" mit psychoaktiver Wirkung in Mittelamerika

Auch in Mittelamerika wird Honig mit mild psychoaktiver Wirkung traditionell als Heilmittel genutzt, jedoch handelt es sich meist um Bienenarten mit anderen Pflanzenquellen als den Rhododendren. Diese Honigarten enthalten oft psychoaktive Substanzen, die ähnliche Effekte wie LSD auslösen können, jedoch nicht so stark wirken.

Der hohe Preis der „Mad Honey“-Ernte

Aufgrund der komplexen Erntebedingungen erreicht der „Mad Honey“ auf dem internationalen Markt Preise von bis zu 400 Dollar pro 200 Gramm. Je nach Region kann der Preis jedoch variieren, was sowohl auf die Ernteschwierigkeiten als auch auf die Reinheit und den psychoaktiven Gehalt zurückzuführen ist. Trotz dieses Preises erhalten die Gurung-Jäger in Nepal oft weniger als 50 Dollar für die riskante Arbeit. Die Ernte ist somit nicht nur ein gefährlicher Teil ihrer Kultur, sondern auch eine ökonomische Notwendigkeit. Experten warnen jedoch vor dem Schwinden der Bienenvölker, da die Nachfrage den Bestand gefährdet.

Fakten:

  • „Mad Honey Disease“: Vergiftungserscheinung durch Grayanotoxine
  • Erste Erwähnung: Nutzung als Waffe im Krieg durch Mithridates
  • Psychoaktive Wirkung: In kleinen Dosen halluzinogen und euphorisierend
  • Kulturelle Bedeutung: Genutzt als Heilmittel und Aphrodisiakum
  • Gefährliche Ernte: Klettern ohne Sicherung in mehrere hundert Meter Höhe
  • Marktwert: 400 Dollar für 200 g, Lohn der Jäger oft unter 50 Dollar

(VOL.AT)

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