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"Habe eben Lennon erschossen"

Er ist tief religiös, er ist ein fanatischer Beatles-Fan und er will berühmt sein. Was sonst im Kopf von Mark David Chapman vorgeht, bleibt auch 25 Jahre nach seiner Tat rätselhaft.

Im Oktober 1980 gibt er seinen Pförtnerjob in Honolulu auf, kauft einen 38er Revolver und fliegt mit geliehenem Geld nach New York. Dort bittet der 25-Jährige sein Idol John Lennon am 8. Dezember um ein Autogramm. Am Abend des gleichen Tages ist Chapman zurück vor dem dunklen Dakota-Gebäude, in dem der 40-jährige Ex-Beatle mit seiner Frau Yoko Ono und dem gemeinsamen Sohn Sean lebt. In den Manteltaschen hat Chapman Kassetten mit 14 Stunden Beatles-Musik und eine Ausgabe von J.D. Salingers Kultroman „Fänger im Roggen“. Die Nacht ist eiskalt, Stunden vergehen, bis das Künstlerpaar von Studioaufnahmen nach Hause kehrt. Es ist 22.50 Uhr New Yorker Ortszeit.

„Mr. Lennon?“, ruft Chapman und drückt ab. Fünf Schüsse bohren sich in den Rücken des legendären Musikers. „Ich bin getroffen“, sind die letzten Worte, die Lennon nach Augenzeugenberichten hervorbringt. „Weisst Du, was Du getan hast?“, schreit der Portier. „Ich habe eben John Lennon erschossen“, erwidert Chapman ruhig. Er setzt sich auf einen Kantstein, zieht sein Buch aus der Tasche und fängt demonstrativ an zu lesen: Salingers Erzählung von einem jugendlichen Versager und Aussteiger aus der Leistungsgesellschaft. Der Polizei sagt Chapman später unter Verweis auf das Buch: „Dies ist meine Erklärung“, und fügt hinzu, „ich habe allein gehandelt“.

Die Cops finden Lennon in einer Blutlacke. Ohne auf den Notarzt zu warten, betten sie seinen leblosen Körper in den Polizeiwagen und rasen los. Das Roosevelt Hospital liegt gut eineinhalb Kilometer entfernt. Als Lennon auf einer Trage in die Notaufnahme gebracht wird, bricht Hektik aus: Ein Schussopfer. Erst mit der Zeit spricht sich herum, um wen es in dieser Nacht geschehen ist.

Lennon hat keinen Puls mehr. Er atmet nicht, und der Blutdruck ist weg. Trotzdem versuchen die Ärzte, ihn ins Leben zurückzuholen. Nach 20 Minuten geben sie auf. Einer von ihnen überbringt der wartenden Witwe die Todesnachricht. Doch Yoko Ono weigert sich, sie zu akzeptieren. Immer wieder begehrt sie auf: „Das ist nicht wahr. Ihr lügt!“

Ein Fernsehproduzent ist zufällig Augenzeuge des Geschehens in der Notaufnahme. Er informiert seinen Sender. Wenige Minuten später unterbricht das landesweite ABC-Netzwerk eine Footballsendung und informiert das Publikum von Lennons Tod. Im Central Park, nur ein paar Schritte vom Dakota-Komplex entfernt, kommen Tausende spontan zu einer Mahnwache zusammen.

Die Schreckensnachricht verbreitet sich in Windeseile um alle Welt. In Europa ist es früher Morgen, als der Mord bekannt wird. Rundfunksender unterbrechen ihre Programme. Aus allen Kanälen tönen die Songs des britischen Rockmusikers: „Imagine“, „Jealous Guy“, „A Hard Day’s Night“ und „Help“. Lennons Musik war für Millionen Menschen zu einem Teil ihres eigenen Lebens geworden.

25 Jahre danach versucht ein Spielfilm, das Tatmotiv des Mörders aufzudecken. War Chapmans Verehrung für Lennon in Hass umgeschlagen? Oder war der Mord an dem Idol eine Art Selbstmord? Der Independent- Film „Chapter 27“ soll 2006 in die Kinos kommen. Sein Titel bezieht sich auf die 26 Kapitel von Salingers „Fänger im Roggen“.

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