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Ägypten: Streit um Gesichtsschleier

Während in Europa noch darüber gestritten wird, ob muslimische Lehrerinnen mit Kopftuch unterricht-en dürfen, hat der Konflikt um die Verhüllung in GB und Ägypten schon eine andere Stufe erreicht.

Stein des Anstoßes ist hier nicht der „Hijab“, ein Kopftuch, das die Haare bedeckt, sondern der zusätzlich zu Kopftuch und Ganzkörperverhüllung getragene „Nikab“, der das gesamte Gesicht bis auf die Augen bedeckt, wobei einige „Nikab“-Trägerinnen auch noch die Augen hinter einem halbtransparenten schwarzen Schleier verbergen.

Der Mufti von Ägypten, Ali Gomaa, hat den Ägypterinnen nun davon abgeraten, ihre Gesichter zu verhüllen. Bei einem Treffen mit Studenten in der Oase Fayum begründete er dies am Dienstagabend damit, dass Muslime Extreme vermeiden und sich für einen Weg der Mitte entscheiden sollten.

In Großbritannien erklärten Regierungschef Tony Blair und Außenminister Jack Straw, der Gesichtsschleier sei ein „Zeichen der Abschottung und der Abgrenzung“. In Kairo wurde die Debatte von der Leitung der Helwan-Universität ausgelöst, die plötzlich keine schwarz verhüllten Studentinnen mehr in ihrem Wohnheim dulden wollte. Begründet wurde dies mit Sicherheitsrisiken. Denn aus Saudi-Arabien, wo der „Nikab“ weit verbreitet ist, weiß man, dass Terroristen Frauengewänder und -Schleier gerne als Verkleidung benutzen. Islamisten organisierten daraufhin Demonstrationen auf dem Kairoer Universitätsgelände.

Doch der Konflikt hat inzwischen noch weitere Kreise gezogen. In einer Talk-Show zum Thema gerieten jüngst eine moderate Islam-Gelehrte und ein konservativer Scheich so aneinander, dass Scheich Yussif al-Badri am vergangenen Montag gegen seine Kollegin nun Anzeige wegen „Beleidigung der verschleierten Frau“ erstattete.

Dabei ist in Ägypten schon lange bekannt, dass Suad Saleh, die ehemalige Dekanin der Frauensektion der Abteilung für islamische Studien an der renommierten Al-Azhar Universität, den „Nikab“ ablehnt. In der Sendung erklärte Saleh, sie sei jedes Mal angewidert, wenn sie eine Frau mit Gesichtsschleier sehe. Die islamischen Religionsgelehrten, die das Tragen des „Nikabs“ zur Pflicht der muslimischen Frau erklärten, seien „ignorant“. Das Kopftuchtragen sei für die Frau eine Pflicht, aber der Gesichtsschleier sei eine Tradition der Beduinen, die mit dem Islam nichts zu tun habe.

Während der „Nikab“ in den arabischen Golfstaaten weit verbreitet ist, so sah man in Ägypten noch vor 20 Jahren so gut wie keine völlig verschleierten Frauen. Der Einfluss von Arbeitsmigranten, die aus den Golfstaaten zurückgekehrt sind und die Frömmigkeitswelle, die in den vergangenen Jahren fast alle arabischen Staaten erfasst hat, haben dies geändert. Inzwischen gehören die „Munakkabat“, wie sie auf arabisch heißen, in armen wie in reichen Stadtteilen zum Straßenbild.

Obwohl ihre Zahl stetig wächst, haben diese Frauen oft mit Schwierigkeiten zu kämpfen. In einigen Berufen riskieren sie, wenn sie den Gesichtsschleier anlegen, die Kündigung. Liberale Ägypter begegnen den Frauen, die auch bei 42 Grad im Schatten schwarze Handschuhe und schwere Gewänder tragen, gelegentlich feindselig. Ihr beliebtestes Schimpfwort für die Schleierträgerinnen ist „Ya Kheima“ (Hey, du Zelt).

Auch Sara al-Meshad (24), die in der Hafenstadt Alexandria lebt und ihre Kindheit in den USA verbracht hat, weiß von Diskriminierung zu berichten. Sie hat den Gesichtsschleier nach Abschluss ihres Studiums an der Amerikanischen Universität (AUC) in Kairo angelegt. „Seither bin ich dort nicht mehr erwünscht, weil ich angeblich nicht ins Bild passe“, sagt sie. Sie habe sich für den Schleier entschieden, „um dem Beispiel der Ehefrauen des Propheten Mohammed zu folgen“, sagt die junge Mutter, die gelegentlich als freiberufliche Journalistin arbeitet. „Die Nikab-Gegner behaupten immer, man könne als Verschleierte keinen Kontakt zu anderen Menschen haben, aber das stimmt gar nicht“, erklärt sie. „Mein Sohn merkt, wenn wir in der Öffentlichkeit sind und ich den Nikab trage, immer an meinen Augen, ob ich lächele oder nicht.”

Prodi: Schleier darf Gesicht nicht verbergen

Der italienische Regierungschef Romano Prodi hat die in Italien lebenden Musliminnen aufgefordert, nur solche Schleier zu tragen, die das Gesicht nicht verbergen. Es gehe nicht um Kleidung, sondern um Vernunft.

„Wenn Sie den Schleier tragen wollen, ist es in Ordnung, man muss Ihr Gesicht aber sehen können. Man darf sich nicht verbergen“, sagte Prodi nach Angaben italienischer Medien vom Mittwoch.

Der italienische Ministerpräsident schaltete sich damit in die Debatte über den Schleier für muslimische Frauen ein. Zuvor hatte bereits der britische Premier Tony Blair das Tragen eines Gesichtsschleiers von muslimischen Frauen als „Zeichen der Abgrenzung“ bezeichnet. Vernünftig verhalten

Der Schleier würde dafür sorgen, dass sich mancher ausserhalb der muslimischen Gemeinschaft „unbehaglich“ fühle. Dennoch wolle niemand muslimischen Frauen das Recht absprechen, ihr Gesicht zu verhüllen, sagte Blair am Dienstag auf seiner monatlichen Medienkonferenz im Amtssitz Downing Street.

Auch Prodi betonte, er wolle muslimische Frauen nicht daran hindern, den Schleier zu tragen, die damit ihre Traditionen respektieren wollten. Es gehe jedoch um ein vernünftiges Verhalten in der italienischen Gesellschaft.

Er betonte, dass ihm die Integration von Ausländern am Herzen liege. „Die Immigranten sind unsere Zukunft“, betonte der Ministerpräsident. Prodis Worte wurden von der rechtspopulistischen Oppositionspartei, Lega Nord, begrüsst.

Die altkommunistische Rifondazione warf Prodi dagegen Oberflächlichkeit vor. Das Thema der Integration von Frauen in der westlichen Gesellschaft sei komplex und könne nicht mit einem Appell bagatellisiert werden.

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