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Gusenbauer: Einige EU-Gipfel-Kompromisse "schmerzhaft"

Straßburg - Bundeskanzler Alfred Gusenbauer hat vor dem Europarat zugegeben, dass einige der beim EU-Reformgipfel gemachten Kompromisse "schmerzhaft" waren.

Für Österreich, dessen Parlament den Europäischen Verfassungsvertrag mit überwältigender Mehrheit ratifiziert habe, „hat das erzielte Ergebnis einen bitteren Beigeschmack hinterlassen“, sagte der Kanzler am Montag in Straßburg in einer Rede vor der Parlamentarischen Versammlung des Europarates, der er selbst viele Jahre angehört hatte.

Die neuen Abstimmungsregeln im EU-Ministerrat, die auf Drängen Polens erst ab 2014 eingeführt werden, „hätten wir gern früher gehabt“. Insgesamt sprach Gusenbauer jedoch von guten Fortschritten, weil die erzielte Einigung gegenüber dem heute gültigen Nizza-Vertrag deutliche Verbesserungen bringe.

Gusenbauer lobte etwa, dass es gelungen sei, die Grundrechtecharta, „das Herzstück des Verfassungsvertrages“, rechtsverbindlich festzuschreiben. Damit seien nicht nur die EU-Institutionen, sondern auch die Mitgliedstaaten an die Einhaltung der Menschenrechte sowie sozialen Grundrechte gebunden. Gleichzeitig bedauerte er, dass sich Großbritannien dabei ausgenommen habe. „Ich hoffe, dass in dieser Frage für den Rest der Geschichte noch nicht das letzte Wort gesprochen ist.“ Der „nächste wichtige und logische Schritt“ wäre, dass die EU auch der Menschenrechtskonvention beitritt.

„Um Demokratie und Menschenrechte muss auch in unseren Ländern täglich gerungen werden“, sagte Gusenbauer und verwies auf die Kärntner Ortstafel-Frage. Er persönlich bemühe sich „um eine umfassende und abschließende Regelung“. Er hoffe, „dass hier in den nächsten Tagen eine Lösung präsentiert werden kann, die für die Vertreter sowohl der slowenischen Minderheit als auch der deutschsprachige Mehrheitsbevölkerung akzeptabel ist und endlich den verfassungsrechtlich garantierten Minderheitenrechten genüge tut“.

Als zweites positives Ergebnis des jüngsten EU-Gipfels bezeichnete Gusenbauer die Festschreibung der sozialen Dimension. „Es war wichtig festzustellen, dass sich Europa weder zu einem Superstaat noch zu einem Supermarkt entwickelt.“ Es sei notwendig, das europäische Sozialmodell „dem Marktfetischismus ein Korrektiv gegenüber zu stellen, das den Menschen wieder in den Mittelpunkt unseres Handelns rückt“. Außerdem zeigte sich Gusenbauer „stolz“, dass der Klimaschutz als neues Politikfeld der EU erschlossen werden konnte.

Gusenbauer hob hervor, dass die EU durch den Beschluss der Grundrechtecharta oder die Gründung der Grundrechteagentur in Wien nicht zum Konkurrenten des Europarats werde. Die beiden Organisationen seien „Partner im Kampf für ein gemeinsames Anliegen“. Der Europarat habe in den Bereichen Rechtsstaatlichkeit, Demokratie und Menschenrechte „unschätzbare, langjährige Erfahrungen“. Damit dieses System funktionsfähig bleibe, müsse der Menschenrechtsgerichtshof reformiert werden. Aus diesem Grund appellierte der österreichische Regierungschef an Russland, das entsprechendes 14. Zusatzprotokoll zur Europäischen Menschenrechtskonvention umgehend zu ratifiziert. Außerdem sprach sich Gusenbauer für eine stärkere Dotierung des Menschenrechtsgerichtshofs aus. „Eine Aushungerung von öffentlichen Einrichtungen führt letztendlich zu einer Aushungerung des Schutzes.“

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