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Guantanamo - Das gebrochene Versprechen

171 Gefangene sind erzeit in Guantanamo untergebracht (Bild von 20002).
171 Gefangene sind erzeit in Guantanamo untergebracht (Bild von 20002). ©AP
Die Bilder der Männer in orangefarbenen Overalls, die gefesselt und mit verbundenen Augen unter freiem Himmel in Käfigen knien, gingen um die Welt.

Am 11. Jänner 2002 ließ die Regierung von US-Präsident George W. Bush die ersten 20 Terrorverdächtigen auf die Armeebasis Guantanamo Bay auf Kuba bringen, Hunderte Kilometer von der Südspitze Floridas und eine Ewigkeit von den Grundrechten der US-Verfassung entfernt. Zehn Jahre später sitzen dort noch immer 171 Häftlinge ein – trotz des Versprechens von Bushs Nachfolger Barack Obama, das berüchtigte Gefangenenlager zu schließen.

“Feindliche Kämpfer” statt Gefangene

Guantanamo gilt als Symbol für die Aushöhlung der Rechtsstaatlichkeit, die Bushs Regierung unter dem Vorwand der Terrorbekämpfung betrieben hat. Der Name steht für Inhaftierungen ohne Anklage, Misshandlungen bei Verhören und eine Prozessführung, bei der reines Hörensagen schon Beweiskraft hat. Vorgeschaltet war ein Netz aus geheimen Gefängnissen rund um die Welt, wo CIA-Agenten mutmaßliche Terroristen unbeobachtet in die Mangel nehmen konnten. Washington fand den Begriff “feindlicher Kämpfer”, um die Genfer Konventionen zu umgehen.

Als Präsidentschaftskandidat hatte Obama Guantanamo als “rechtliches schwarzes Loch” angeprangert, keine 24 Stunden nach seinem Amtsantritt ließ er die Terrorverfahren in “Gitmo” aussetzen. Der Neue im Weißen Haus schien die Altlasten seines Vorgängers so schnell wie möglich beseitigen zu wollen. Binnen eines Jahres sollte Guantanamo geschlossen und den Insassen vor ordentlichen Zivilgerichten der Prozess gemacht werden.

Kongress gegen Schließung

Doch die Umsetzung erwies sich als komplizierter als erwartet. Das Weiße Haus musste gegen wachsenden Widerstand von Republikanern und Demokraten gleichermaßen ankämpfen. Der Kongress verweigerte die finanziellen Mittel für die Abwicklung des Lagers und blockierte wegen Sicherheitsbedenken die Verlegung von Guantanamo-Häftlingen in US-Gefängnisse. Viele Gefangene konnten nicht in ihre Heimat abgeschoben werden, weil ihnen dort Verfolgung droht. Drittstaaten zeigten sich nur zögerlich zur Aufnahme von Häftlingen bereit.

Im März kapitulierte Obama und erlaubte die Aufnahme neuer Militärprozesse in Guantanamo. Immerhin bemühte er sich, die Verfahren mit einer Reform der Guantanamo-Tribunale auf den Boden der Rechtsstaatlichkeit zurückzuholen. Durch brutale Verhörmethoden erzwungene Aussagen etwa sind nicht mehr zulässig. Im November begann der erste neue Guantanamo-Prozess gegen Abdel Rahim al-Nashiri, der den Anschlag auf das Kriegsschiff “USS Cole” im Oktober 2000 geplant haben soll. Auch die fünf mutmaßlichen Drahtzieher der Anschläge vom 11. September 2001 sollen in Guantanamo vor die Militärjustiz kommen.

Amnesty prangert an

Insgesamt brachten die USA über die Jahre knapp 780 Gefangene nach Guantanamo, von denen nur sechs nach einem der umstrittenen Militärverfahren tatsächlich schuldig gesprochen wurden. “Guantanamo symbolisiert zehn Jahre systematisches Scheitern der USA bei der Einhaltung von Menschenrechten”, sagt Rob Freer von Amnesty International. Jedes andere Land käme “ohne Zweifel” im jährlichen Menschenrechtsbericht des US-Außenministeriums vor, würde es ein solches Lager betreiben.

Offiziell hält Obamas Regierung weiter daran fest, Guantanamo zu schließen. Ende Dezember unterzeichnete der Präsident aber den Militärhaushalt 2012, der mehrere Passagen enthält, die eine Schließung de facto unmöglich machen: So dürfen Staatsgelder nicht für die Verlegung von Guantanamo-Häftlingen in die USA verwendet werden. Außerdem erhält das Militär das Recht, Terrorverdächtige ohne Prozess unbegrenzt festzuhalten.

Obama drohte zunächst mit einem Veto, begnügte sich dann aber mit einer Erklärung, in der er “ernsthafte Vorbehalte” geltend machte. Das Gesetz trat in Kraft, ein Ende von “Gitmo” ist nicht in Sicht. “Vor zehn Jahren hätte niemand gedacht, dass dies ein permanenter Bestandteil der USA sein würde”, sagt Hina Shamsi von der US-Bürgerrechtsorganisation ACLU.

(APA)

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