Spießrutenlauf in der U6
Wir gratulieren dem Wurschtelprater zu seinem 250. Geburtstag ja sehr herzlich, aber mit dem Thrill des Alltags in den Öffis kann keine seiner Attraktionen mithalten. Gegen den Spießrutenlauf, der einen momentan beispielsweise in der U6 erwartet, nimmt sich eine Fahrt mit der Geisterbahn wie eine Runde auf dem Hello Kitty-Radl durch den Märchenwald aus. Mit Schlagobers und Schokosauce. Eine Wellness-Imagination gegen das mulmige Gefühl, wenn man einen Ritt durch Otto Wagners einstige Stadtbahn-Steige hinter sich bringen muss.
Immer ein rettendes Handy zur Hand
Man muss sich gut auf den satanischen Slalom durch das Labyrinth der Lemuren in einer Station vorzubereiten: Hochgeschlagener Mantelkragen, die Körperhaltung im unauffälligsten “Max-Mustermann-Mimikry-Modus” und den Blick jedenfalls dermaßen fest zu Boden gesenkt, als suche man mit passabler Erfolgsaussicht die verlorenen 19 Mrd. Euro aus dem Hypo-Debakel. In der Manteltasche sollte die Hand auf alle Fälle das Mobiltelefon dermaßen umklammert haben, dass ein rettender Anruf im Ernstfall binnen Sekundenbruchteilen erfolgen kann.
Distanzlose Wegelagerer
Und selbst dann ist man nicht sicher vor dem Schlimmsten: Wähnt man sich schon in Sicherheit, weil man zwei Drittel des Weges und ein Dutzend der Wegelagerer schon abgeschüttelt hat – just im letzten Moment kannst du darauf wetten, dass hinter dem verdrecktesten und uringetränktesten Erker nicht noch eine der aufdringlichen, distanzlosen, verzweifelten, nach deinem sorglosen bürgerlichen Wohlbehagen trachtenden, anonymen finsteren Gestalten lauert, unvermittelt vor dein plötzlich leichenblasses Antlitz springt und dich fragt: “Haben Sie ein Herz für Tiere?”
Und ehe du ein Telefonat mit Mama faken kannst, endet die Begegnung mit einem Dauerauftrag für den Umwelt- und Tierschutz.