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Grüne brechen Gespräche mit ÖVP vorerst ab

Der Kreis der potenziellen Koalitionspartner für Bundeskanzler Wolfgang Schüssel (V) ist vorerst von drei auf zwei geschrumpft.

Die Grünen haben ihre Gespräche mit der ÖVP am Dienstag nach ihrer zweiten Sondierungsrunde vorerst beendet. Am Nachmittag ist auch noch die SPÖ im Bundeskanzleramt zu Gast. Der von Finanzminister Karl-Heinz Grasser heute vorgenommenen Kassasturz lässt für die SPÖ aber „viele Fragen“ offen. Grasser hält für 2002 an seiner Budgetdefizitprognose von 1,3 Prozent des BIP fest, für 2003 gesteht er aber ein höher als ursprünglich angenommenes Defizit von 1,6 Prozent ein. Erreichen will er freilich ein Prozent.

Man warte vorerst einmal den Ausgang der Regierungsverhandlungen zwischen der ÖVP und den Freiheitlichen ab, sagte der Bundessprecher der Grünen, Alexander Van der Bellen, nach der zweiten Sondierungsrunde. Sollten diese kein Ergebnis bringen, seien die Grünen bereit, „in aller Ernsthaftigkeit“ in Regierungsverhandlungen einzutreten. Der ÖVP war er indirekt vor, ein Doppelspiel zu betreiben. Es könne nicht sein, dass die Volkspartei vielleicht am Vormittag mit der FPÖ eine Verschärfung des Asylrechts berede und dann am Nachmittag mit den Grünen eine Ausweitung der Bundesbetreuung.

Schüssel hat den vorläufigen Gesprächsabbruch bedauert. Immerhin sei der Anfang der Unterredungen „durchaus ermutigend“ gewesen. Für die Forderung nach exklusiven Verhandlungen mit den Grünen zeigte Schüssel kein Verständnis. „Ich halte solche Hürden und Barrieren für nicht angebracht.“ Man dürfe nicht wieder mit der Ausgrenzung einer Parlamentsfraktion beginnen. Er wolle weiter mit allen Parteien parallel verhandeln.

Ob auch die SPÖ ihre Sondierungsgespräche heute vorerst beenden wird, war noch nicht klar. Parteichef Alfred Gusenbauer drängte vor Beginn der Gespräch auf eine rasche Entscheidung der ÖVP, legt sich aber trotz mehrfacher Nachfrage nicht fest, wann die Entscheidung fallen müsse. Der Wiener Bürgermeister Michael Häupl glaubt jedenfalls an eine Fortsetzung von Schwarz-Blau: „Man will uns nicht, das nehme ich zur Kenntnis.“

Seit 15.00 Uhr verhandelt die SPÖ mit der ÖVP. Budgetexperte Christoph Matznetter übte im Vorfeld bereits heftige Kritik am Kassasturz von Grasser. Die offenen Fragen der SPÖ seien „nur teilweise oder nur kursorisch“ beantwortet worden. So seien die Prognosen für den Zeitraum von 2003 bis 2006 nicht ausreichend. In der Kritik der SPÖ vor der Wahl sah er sich bestätigt. Das Defizit sei „weitaus höher“ als im Wahlkampf angekündigt.

Grasser hatte das gesamtstaatliche Defizit für 2003 zuvor mit – „vorsichtig gerechnet“ – 1,6 Prozent des Bruttoinlandsproduktes (BIP) angegeben. Im Oktober war noch von einem Prozent die Rede. Den Unterschied führt er auf die schlechteren Konjunkturprognosen, die Gehaltsrunde für die Beamten und die Pensionserhöhungen zurück. Beim Wert von 1,6 Prozent handle es sich aber um eine Prognose, so Grasser. Über „Konsolidierungsmaßnahmen“ möchte er das Defizit bei einem Prozent eindämmen. Er skizzierte auch bereits die größten „Kostentreiber“. Reformen seien demnach bei den ÖBB, den Pensionen, der öffentlichen Verwaltung und dem Gesundheitsbereich notwendig. Auf Details wollte er sich freilich nicht einlassen.

Die Defizitprognosen von Grasser werden von den Wirtschaftsforschern im Wesentlichen bestätigt. Sie gehen von einem Minus zwischen 1,4 und 1,6 Prozent des BIP für 2003 aus. Für 2002 liegen sie mit 1,5 Prozent (Wifo und IHS) etwas über dem Finanzministerium (1,3 Prozent). Der Präsident des Staatsschuldenausschusses, Helmut Frisch, sieht aber das Budget 2003 wegen budgetärer Mehrausgaben (Pensionen, Beamte) vor der Wahl „stark vorbelastet“.

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