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"Grund zur Sorge"

Nach dem Wahlsieg von George W. Bush erwarten Schweizer Zeitungskommentatoren eine Verschärfung der unilateralen US-Außenpolitik.

Zudem dürften die Gräben zwischen den USA und Europa, dem Nahen Osten und Asien noch tiefer werden.

Diese Wahlen teilten aber auch die amerikanische Gesellschaft in zwei fast gleich große Lager, stellt die „Aargauer Zeitung“ fest. Die Lager – Nord und Süd, christlich-konservativ gegen liberale Weltbürger – stünden sich weit unversöhnlicher gegenüber, als dies bisher der Fall gewesen sei.

Trotzdem gebe es am Sieg von Bush nichts zu rütteln. Auch der Kongress und das Oberste Gericht seien fest in republikanischer Hand. Damit seien alle drei Gewalten im Staat einer unilateralen, hegemonialen Ideologie verpflichtet.

Ob die „vierte Gewalt“ die Medien, korrigierend eingreifen können, ist für die „Basler Zeitung“ ungewiss. Während des Irak- Kriegs hätten die Medien ja in ihrer Wächterrolle versagt.

Auch die „Berner Zeitung“ sieht im Sieg des Amtsinhabers einen Grund zur Sorge. Bush sei überzeugt, dass er eine christliche Mission zu erfüllen habe. Doch religiöser Glaube, versehen mit Macht, berge ein gefährliches Potenzial.

Mehrere Kommentatoren befürchten, dass der „Atlantikgraben“ zwischen Europa und den USA noch tiefer werden könnte. Dieser Graben bestehe aber auch „in unseren Köpfen“, mahnt das „St.©Galler Tagblatt“. In den letzten 50 Jahren sei Europa fast allen US- Präsidenten mit hochnäsiger Arroganz begegnet.

Der „Tages-Anzeiger“ erwartet, dass Bush nun auch in der Innen- und Gesellschaftspolitik Akzente setzen wird, die den Abstand zum zutiefst säkularen Europa vergrössern werden. Der „Bund“ erwartet von Bushs zweiter Amtszeit weitere Steuersenkungen, dazu Vorlagen gegen Abtreibung und gleichgeschlechtliche Ehe.

Auch die Westschweizer Zeitungen „Le Temps“ und „Le Nouvelliste“ erwarten, dass Bush seine Politik zum Wohlgefallen der Reichen und Gläubigen fortsetzt. Dabei wäre Aussöhnung innerhalb der USA dringend nötig, heißt es in der „Südostschweiz“. Dazu habe Herausforderer John Kerry den ersten Schritt getan.

Die „Neue Luzerner Zeitung“ hält es immerhin für möglich, dass sich Bush vom Kriegspräsidenten zum Staatsmann wenden könnte. Die „Neue Zürcher Zeitung“ erinnert allerdings daran, dass die zweite Amtszeit der US-Präsidenten stets schwierig war. Immerhin habe Bush- anders als Clinton, Reagan und Nixon – eine Mehrheit im Kongress.

Auch „Le Matin“ glaubt nicht wirklich an die Wandlung. Bush sei wiedergewählt worden, weil er ein Kriegschef sei und sich durch nichts von seinen Zielen abbringen lasse. Diese Entschiedenheit habe die Wählerinnen und Wähler überzeugt und beeindruckt.

Zum Glück sei Bush nach weiteren vier Jahren zum Abtreten gezwungen, schreibt „L’Express“. Aber vorher könnten die Republikaner während vier Jahren ihre unilaterale Politik ungeachtet der internationalen Gemeinschaft weiterführen, heißt es in „La Liberté“.

Amerika und die Welt müssen sich nach Ansicht der „Thurgauer Zeitung“ auf „four more years“ mit Bush einrichten. Dann könnte die Zeit reif sein für die Demokratin Hillary Clinton.

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