Grüne wollen weltanschaulich neutrales Fach "Ethik"

Da der bisherige Religionsunterricht immer weniger Schüler erreiche, sei es umso wichtiger, dass Themen wie Gewalt, die Stellung der Frau in der Gesellschaft oder Standpunkte zur Todesstrafe in den Klassen gemeinsam und unter Anleitung diskutiert werden. Das wäre auch eine Möglichkeit, der möglichen Radikalisierung von Schülern entgegenwirken, so Walser bei einer Pressekonferenz in Wien. Er werte die Vorstöße in Richtung “Ethikunterricht” aus der ÖVP in den vergangenen Wochen als Zeichen, dass die Volkspartei ihre bisherige Blockade aufgebe.
16 Religionsgemeinschaften in Österreich
Angesichts der Tatsache, dass es in Österreich aktuell 16 Religionsgemeinschaften gibt, die theoretisch alle ein Recht auf einen eigenen Religionsunterricht haben, sei die flächendeckende Einführung des verpflichtenden Ethikunterrichts für alle laut Walser wahrscheinlich auch die kostengünstigere Variante. Für die Umsetzung der Maßnahme sei ein Zeitraum von etwa zehn Jahren realistisch.
Schelling lehnte Budgetaufstockung ab
Bildungsministerin Gabriele Heinisch-Hosek (SPÖ) hat unterdessen bei Finanzminister Hans-Jörg Schelling (ÖVP) bereits wegen zusätzlicher Finanzmittel für den Ethikunterricht vorgefühlt. Wie die Tageszeitung “Heute” (Mittwoch-Ausgabe) berichtet, habe sie eine Aufstockung des Budgets für ihr Ressort um 200 Millionen Euro für die zuletzt von mehreren Seite geforderte Einführung von Ethik und Politischer Bildung als eigene Fächer gefordert – was Schelling jedoch ablehnte. Die Kosten der von Walser geforderten Variante wurden 2011 bei einer parlamentarischen Enquete mit 106 Mio. Euro pro Jahr beziffert (ohne Gegenrechnung der Einsparungen bei Religion).
80 Prozent lehren Wissen über andere Glaubensrichtungen
Angesichts der Möglichkeit, sich ab 14 Jahren vom Religionsunterricht abzumelden, sei klar, dass es Religion als Pflichtfach eigentlich nicht mehr gebe, erklärte der Salzburger Religionspädagoge Anton Bucher bei der Pressekonferenz. Dazu käme, dass sich laut einer Studie an Gymnasien bereits 80 Prozent der katholischen Religionslehrer dazu bekennen, den Schülern auch Wissen über andere Glaubensrichtungen zu vermitteln. Nur noch 29 Prozent gehe es vorrangig um die Vermittlung der Glaubenslehre der katholischen Kirche. Wäre dieser Prozentsatz höher, würden sich vermutlich “noch mehr Schüler abmelden”, zeigte sich Bucher überzeugt.
Verpflichtender Ethikunterricht als Fehlexperiment
Die seit 1997 bestehenden Schulversuche zum verpflichtenden Ethikunterricht für vom Religionsunterricht abgemeldete Schüler – aktuell sind es 234 – würden trotz guter Ergebnisse bei Evaluationen und Untersuchungen “vor sich her dümpeln”. Die momentan neun verschiedenen Lehrpläne, nach denen die geschätzt knapp 18.000 Schüler unterrichtet werden, müssten zu einem zusammengeführt werden. Außerdem forderte der Experte Verbesserungen bei der Lehrerausbildung in dem Bereich.
(APA)