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Großaktion zur Qualitätskontrolle in Arztordinationen in Wien

In Wien läuft die dritte Welle der Praxis-Evaluierung bei niedergelassenen Ärzten an.
In Wien läuft die dritte Welle der Praxis-Evaluierung bei niedergelassenen Ärzten an. ©APA/HELMUT FOHRINGER
Im Februar startet in Wien eine Großaktion zur Qualitätskontrolle in Arztordinationen. Außerdem wird das komplett digitale System für Qualitätsmanagement "doqist" gezeigt.

Weitgehend öffentlichkeitsfern - trotzdem hoch aktuell wegen der Hygieneaspekte zu Covid-19 - startet Anfang Februar in Wien eine Großaktion zur Qualitätskontrolle in Arztordinationen. Zum dritten Mal erfolgt die "ÖQMed-Evaluierung" in der Bundeshauptstadt, einem Bundesland mit fast 5.500 Ordinationen, nach 23 Qualitätskriterien. Gleichzeitig lanciert ein Wiener Software-Unternehmen mit "doqist" erstmals ein komplett digitales System für Qualitätsmanagement in Arztpraxen.

Wien nun zum dritten Mal an der Reihe

Ärztegesetz, Qualitätssicherungs-, Hygieneverordnung, Medizinprodukte-, Abfallwirtschaftsgesetz, Verordnung für die ärztliche Fortbildung etc. ziehen den rechtlichen Rahmen für die Qualitätsarbeit und die Evaluierung der Situation in den österreichischen Arztpraxen - unabhängig von Kassenverträgen. Das ist im Fall der Ärzte für die Freien Berufe in Österreich einzigartig, wie Friedrich Hartl vom Referat für Qualitätsmanagement der Ärztekammer Wien bei einer Fortbildungsveranstaltung vor kurzem feststellte. Die von der Standesvertretung der Ärzte 2004 installierte Österreichische Gesellschaft für Qualitätssicherung & Qualitätsmanagement in der Medizin GmbH (ÖQMed) wickelt die daraus resultierende, regelmäßig ablaufende Evaluierung ab. Nach anderen Bundesländern ist jetzt Wien mit der größten Ärzte- und Ordinationsdichte seit 2006 zum dritten Mal an der Reihe.

Zum größten Teil geschieht die Überprüfung in Form einer Selbstevaluierung durch die niedergelassenen Ärzte über einen Online-Fragebogen. Bei unvollständigen oder auf Mängel hinweisenden Auskünften erfolgt ein Auftrag zur Mängelbehebung. Die Mängelbehebung muss dokumentiert werden. Per Zufallsauswahl werden darüber hinaus acht Prozent der Ordinationen bestimmt, die von ÖQMed-Qualitätssicherungsbeauftragten besucht und direkt unter die Lupe genommen werden. Diese Qualitätskontrolle betrifft allerdings ausschließlich die Struktur (Einrichtung, Sicherheitsvorkehrungen etc.) und Prozesskriterien (Patientengeschichte, Befundverwaltung). Die Ergebnisqualität ärztlicher Tätigkeit wird und kann so nicht gemessen werden. Darauf haben in der Vergangenheit Kritiker verwiesen.

Hilfe zu Qualitäts- und Hygienefragen wird oft dankbar angenommen

Doch auch so ist die Angelegenheit ziemlich kompliziert. Philipp Hinteregger, Geschäftsführer des Hygienezentrum Dr. Sturm in Mödling, das seit 2008 täglich und praktisch rund um die Uhr in österreichischen Krankenhäusern und Arztpraxen als staatlich akkreditierte Prüfstelle Unterstützung und Service bei Hygienefragen anbietet, sagte: "Wir sehen im Zuge unserer Tätigkeit viele Ordinationen von innen. Dabei hat sich herausgestellt, dass Hilfe in Qualitäts- und Hygienefragen oft dankbar angenommen wird." Für Selbstevaluierung und Nachweis eines Qualitätsmanagements sind viele Dokumente und dokumentiertes Vorgehen, zum Beispiel bei der Mitarbeiterschulung, erforderlich. "Das muss alles aktuell und im Ernstfall 'parat' sein."

Ein Beispiel: Gastroenterologen und Chirurgen, welche Koloskopien durchführen, müssen genauen Regeln für die Aufbereitung der Endoskope folgen und diese nach erwiesen effektiven und festgelegten Verfahren durchführen. Das gleiche gilt z.B. auch für Sterilisatoren in Arztpraxen etc. Die Unterlagen sind im Fall von akut aufgetretenen Fehlern und Problemen von großer Bedeutung - bis hin zu Beweismaterial für Recht und Justiz.

Hinteregger hat dazu in seinem Unternehmen jede Menge Eigenerfahrung: "Als akkreditierte Stelle in Hygienefragen, die solche Validierungen durchführt, ist man selbst ständig unter strikter Kontrolle der Aufsichtsbehörden und fährt ein Qualitätsmanagementsystem nach allerhöchsten Standards."

Das brachte den Hygiene-Experten, der erst vor kurzem im Rahmen einer Fortbildungsveranstaltung der Wiener Ärztekammer auf viele Punkte der ÖQMed-Selbstevaluierung einging, gemeinsam mit dem ehemaligen SAP-Manager Christian Knoll, der nunmehr als Selbstständiger moderne Software-Lösungen für große Unternehmen und Organisationen erstellt, darauf ein digitales und einfaches Qualitätsmanagementsystem für Arztordinationen zu schaffen.

Web-Applikation entwickelt

Hinteregger erläuterte: "Wir haben eine Web-Applikation entwickelt, ausgerichtet auf die Bedürfnisse der niedergelassenen Ordination. Das geht von einem Hygieneplan nach den Regeln der Technik bis zur dokumentierten Mitarbeiterbesprechung. Darüber hinaus soll es möglichst einfach zu bedienen sein. Über die Eingabe der Charakteristika der jeweiligen Ordination - vom Fachgebiet bis zur räumlichen Gestaltung, apparativen Einrichtung und der Art der Patientenversorgung - wird das System speziell an die Anforderungen des jeweiligen Arztes angepasst."

Ein Beispiel: Besteht eine Ordination aus mehreren Behandlungsräumen, wird je nach deren Funktion (z.B. kleine chirurgische Eingriffe, Infusionen etc.) der jeweils passende Reinigungs- und Desinfektionsplan erstellt. Der Experte: "Medizinische Geräte müssen beispielsweise auch regelmäßig gewartet und kontrolliert werden. Wir haben in unsere Datenbank bereits mehrere hundert Gerätetypen eingespeichert - von Blutdruckmesser bis zum Endoskopieturm. Diese werden den Räumen und Behandlungen zugeordnet, Wartung und Kontrollintervalle können direkt angegeben und mit einem Kalender verbunden werden. Die Bedienungsanleitungen und andere relevante Dokumente werden ebenso direkt gespeichert. Ein Punkt ist auch die Dokumentation von regelmäßigen Teambesprechungen und Schulungen. Und das hat der Arzt, der 'doqist' benutzt, auch sofort alles parat.

Das Ziel, die Zettelwirtschaft zu beenden, steht weit oben auf der Agenda. Dokumentation auf Papier ist mühsam und fehleranfällig. Im Rahmen der ÖQMed-Selbstevaluierung der Arztordinationen in Österreich müssen elf Dokumente zur Strukturqualität (Brandschutz, Hygiene, Notfallvorsorge, apparative und Notfallausstattung, Arzneimittel, Suchtgifte, ärztliche Fortbildung etc.) und vier zur Prozessqualität (Patientenhistorie, interne Kommunikation, unvorhergesehene Ereignisse und Beschwerdemanagement) hinterlegt werden, wie Matthias Schmied (Ärztekammer für Wien) bei der Fortbildungsveranstaltung erklärte. Da kann ein digitaler Schub für ein umfassendes Management wahrscheinlich helfen. Covid-19 hat im vergangenen Jahr an sich schon einen heftigen Digital-Anschub im österreichischen Gesundheitswesen verursacht.

(APA/Red)

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