Großmutter sei vernachlässigt worden: Freispruch für Enkel

Die Staatsanwaltschaft bezichtigte den bisher Unbescholtenen, sich nicht hinreichend um die demenzkranke 94-Jährige gekümmert zu haben und trotz Erkennens ihrer medizinischen Notlage sie nicht ins Spital gebracht oder zumindest einen Arzt gerufen zu haben. Der 48-Jährige wurde am Ende rechtskräftig freigesprochen.
Freispruch für Enkel vom Vorwurf der Vernachlässigung der Großmutter
Die betagte Frau war im Oktober 2022 tot in ihrer Wiener Wohnung aufgefunden worden. Wie sich bei der Obduktion herausstellte, dürfte sie bereits etliche Tage vor ihrem Ableben zu Sturz gekommen sein. Der Leichnam wies auch Nekrosen auf - totes, abgestorbenes Gewebe, das auf eine mangelnde Pflege zu Lebzeiten der Seniorin hindeute.
Zum Zeitpunkt ihres Ablebens hielt sich ihre Enkelin - die Zwillingsschwester des Angeklagten - in der Wohnung auf, in der sie seit 27 Jahren gemeinsam mit der Großmutter lebte. Die 48-Jährige ist einem Gutachten der psychiatrischen Sachverständigen Sigrun Rossmanith aufgrund ihrer geistig-seelischen Disposition aber zurechnungsunfähig und konnte somit aufgrund des vorliegenden Schuldausschließungsgrundes für ein allfälliges Fehlverhalten strafrechtlich nicht zur Verantwortung gezogen werden. Stattdessen wurde der Enkel der Frau zur Anklage gebracht. Dieser war zwar an einer anderen Adresse gemeldet, ging für die Großmutter und die Schwester seit der Corona-Pandemie aber alle zwei Wochen einkaufen. Die beiden Frauen waren Impfgegnerinnen und verließen deswegen nicht mehr das Haus, die hochbetagte Frau war außerdem auf einen Rollator angewiesen.
Großmutter am Fußboden liegen gesehen
Beim letzten Besuch habe er die Großmutter am Fußboden liegen gesehen, räumte der 48-Jährige vor Gericht ein. Er habe seiner Schwester aufgetragen, die Rettung anzurufen und auch gehört, wie diese das tat. Er habe dann aber die Wohnung verlassen: "Ich bin unter Schock gestanden. Ich hab diese Situation schon mit meinem (längst gestorbenen, Anm.) Vater erlebt. Es war ein Deja-Vu." Er sei jedenfalls davon ausgegangen, dass sich die von der Schwester alarmierte Rettung der 94-Jährigen annahm.
Angeklagter telefonierte mit Großmutter zwei Tage vor ihrem Ableben
In weiterer Folge telefonierte der Angeklagte noch mit der Großmutter, zuletzt zwei Tage vor ihrem Ableben. Da habe die 94-Jährige auf seine Frage, wie es ihr gehe, "Alles in Ordnung, wir brauchen nix. Uns geht es gut" geantwortet. Die Oma sei ihm gegenüber grundsätzlich nicht sehr gesprächig gewesen: "Sie war auf meine Schwester fixiert."
"Er hat alles gemacht, was gesetzlich vorgesehen ist"
"Er hat alles gemacht, was gesetzlich vorgesehen ist", betonte Verteidiger Alfred Krenn. Dass die 94-Jährige womöglich ungepflegt war, sei darauf zurückzuführen, dass sie vom Angeklagten keine körperliche Nähe erfahren wollte: "Sie hat sich nicht mehr anschauen lassen, sie hat sich nicht mehr unter die Decke greifen lassen. Er hat alles getan, um ihr einen würdigen Lebensabend zu ermöglichen."
Für den Richter war der Tatbestand der Vernachlässigung im Sinne des § 92 StGB nicht erfüllt. Die Staatsanwältin hatte gegen den Freispruch keine Einwände.
(APA/Red)