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"Großeltern-Karenz" erntet viel Kritik – was sagen Sie dazu?

Susanne Raab (li.) und Barbara Neßler. ©Symbolfoto: Pexels/Mikhail Nilov via Canva Pro, Paulitsch, Die Grünen Tirol,
Die ÖVP setzt sich erneut für die Einführung einer Großeltern-Karenz ein, die finanzielle Unterstützung und Freistellungsmöglichkeiten für die Betreuung von Enkelkindern bietet, stößt dabei aber auf Kritik von Koalitionspartner und Opposition.

Die ÖVP hat einen neuen Anlauf genommen und für die von Parteichef Karl Nehammer im Jänner im Rahmen seines "Österreich-Plans" vorgestellte Großeltern-Karenz geworben. Familienministerin Susanne Raab hat gemeinsam mit Seniorenbund-Präsidentin Ingrid Korosec (beide ÖVP) eine mögliche Ausgestaltung eines solchen Modells ausgelotet und präsentiert. Eine klare Absage kam postwendend vom Grünen Koalitionspartner.

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Video: ÖVP wirbt für "Großeltern-Karenz"

Bonus für Großeltern

Die von Nehammer bereits im Jänner aufs Tapet gebrachte "Großeltern-Karenz" soll sowohl möglich sein, wenn die Großeltern noch im Berufsleben oder auch schon in Pension sind. Die finanzielle Unterstützung soll in Form eines "Großeltern-Bonus" erfolgen, "analog zum Kinderbetreuungsgeld in derselben Höhe", hieß es gegenüber der APA. Für berufstätige Großeltern soll eine Freistellungsoption vorgesehen werden.

Oma und Opa sollen zwölf Monate in Karenz gehen können

Voraussetzung dafür müsste sein, dass sich die Großeltern anstelle der Eltern um die Enkelkinder kümmern, weil diese erwerbstätig sind. Als mögliches Beispiel für eine mögliche Aufteilung zwischen Eltern und Großeltern nannten Raab und Korosec, dass Mutter und Vater für jeweils sechs Monate in Karenz gehen und die restlichen zwölf Monate von den Großeltern bestritten werden.

Video: "Großeltern-Karenz": Pro und Contra

Raab: "Freiwilliges Angebot für Familien"

"Für viele Familien ist der Beitrag, den Oma und Opa in der Kindererziehung und Kinderbetreuung leisten, unverzichtbar. Die Großeltern-Karenz ist deshalb nicht nur eine große Wertschätzung der älteren Generation gegenüber, sondern auch ein Meilenstein für die Wahlfreiheit der Familien", so Raab in einer schriftlichen Stellungnahme, in der sie für "echte Wahlfreiheit" plädiert. Die Großeltern-Karenz wäre "ein zusätzliches freiwilliges Angebot für Familien, die früher wieder in den Beruf einsteigen wollen". Sie begrüße die Idee einer Großeltern-Karenz, betonte Korosec. Diese sei "zukunftsorientiert, lebensnah und allemal wert, dass wir gemeinsam und konstruktiv aus einer guten Idee ein umsetzungsreifes 'Best Practice Modell' erarbeiten".

Barbara Neßler (Foto: Die Grünen)

Barbara Neßler: "Verantwortung von der Mutter auf die Großmutter abgewälzt"

Das Modell war bereits im Jänner bei seiner Vorstellung auf Kritik auch des Koalitionspartners gestoßen. Die aus Vorarlberg stammende Tiroler Grün-Abgeordnete Barbara Neßler erteilte der Idee des "Überstülpens von Betreuungspflichten" auf die Großeltern neuerlich eine klare Absage: "Es kann nicht sein, dass die Verantwortung von der Mutter auf die Großmutter abgewälzt wird. Familien dürfen nicht länger im Stich gelassen werden. Statt Ausreden und Verantwortungsabgabe braucht es endlich verlässliche, kostenlose und flächendeckende Kinderbetreuung in ganz Österreich", so die Nationalrätin in einer schriftlichen Stellungnahme zur APA. Es müsse hier der "Ausbauturbo" gezündet werden. "Das ist die politische Hausaufgabe." Auch in Bezug auf Altersarmut bei Frauen würde das Modell die Situation nicht verbessern, sondern sogar verschärfen: "Wenn die Oma noch im Erwerbsleben ist und dann ein Jahr daheim bleibt, wirkt sich das natürlich negativ auf die Pension aus. Für viele Frauen ist Altersarmut bittere Realität."

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Reproduktionsmediziner Huber ortet einen positiven Effekt

Der österreichische Reproduktionsmediziner und Theologe Johannes Huber, der nicht unumstritten ist, sprach sich hingegen für eine Großeltern-Karenz als wirkungsvolle Maßnahme für psychisch und physisch gesündere nachkommende Generationen aus. Laut Huber sei es medizinisch längst erwiesen, dass gleichbleibende Bezugspersonen aufgrund neurochemischer Prozesse die Resilienz von Kindern fördern. "Diese Fähigkeit bleibt ihnen ein Leben lang erhalten und ermöglicht es ihnen, Stresssituationen jeder Art besser zu bewältigen", sagte Huber. Schon aufgrund ständiger Personalnot und wechselnder Betreuerinnen und Betreuer sei diese Möglichkeit in den an und für sich gut gemeinten Betreuungsstätten nicht gegeben.

Kritik von der FPÖ

Keine Freude mit dem von der ÖVP propagierten Modell der Großelternkarenz hat FPÖ-Frauen- und Familiensprecherin NAbg. Rosa Ecker: "Dieser Plan bietet keine Wahlfreiheit und führt zu Diskriminierung. Es ist der plumpe - offenbar von Wirtschaft und Industrie - initiierte Versuch, den Kindern die Eltern so früh wie möglich wegzunehmen. Das ist nicht unser Ansatz: Kinder bekommen darf auch Zeit kosten. Das sind wir der Entwicklung unserer Kinder schuldig." Im Fall von noch berufstätigen Großeltern sei auch das Problem vorhanden, dass sie durch eine Großelternkarenz wieder Lücken in ihrer Berufsbiografie haben, die in der Pension nicht voll angerechnet werden.

Claudia Gamon: "Alleinerziehende werden erneut im Stich gelassen"

Die ÖVP beweise mit dem Vorschlag der "Großeltern-Karenz“ einmal mehr, dass sie nicht an Lösungen arbeiten wolle, ist NEOS Vorarlberg Landessprecherin Claudia Gamon überzeugt. „Seit Jahren sagen wir, dass die Kinderbetreuung in Österreich flächendeckend ausgebaut werden muss. Wenn es nach uns NEOS ginge, sollte die Kinderbetreuung gänzlich kostenlos sein. Mit der Einführung einer Großeltern-Karenz, wie sie die ÖVP vorschlägt, wird das Problem der mangelhaften Kinderbetreuung in unserem Land aber nicht gelöst. Im Gegenteil: Eine Großeltern-Karenz drängt Frauen stärker in die Armut. Der Vorschlag zeigt nur, dass die ÖVP mit allen Mitteln versucht, sich vor dem Ausbau der Kinderbetreuung in unserem Land zu drücken.“ Gamon weist auch darauf hin, dass eine Großeltern-Karenz massive finanzielle Auswirkungen für Frauen hat: „Eine Oma-Karenz bedeutet ganz klar einen Pensionsverlust für Frauen. Wenn noch erwerbstätige Großeltern zu Hause bleiben, anstatt zu arbeiten, wirkt sich das negativ auf die Pension aus. Die ÖVP vergisst auch, dass es Familien oder Alleinerziehende ohne die Möglichkeit der Hilfe der Großeltern gibt. Diese Eltern werden erneut im Stich gelassen." (VOL.AT, APA)

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