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Große Anti-Atom-Demo

Während die Betreiber Atommeilern vorbereiten, wollen die Atomkraft-Gegner ihre wachsende Stärke unter Beweis stellen: In Paris ist eine Großkundgebung angekündigt.

Die traditionell schwache Anti-Atom-Bewegung in Frankreich hat sich in den vergangnen Jahren professionalisiert, zum Netzwerk „Sortir du nucleaire” („Atomausstieg”) zusammengeschlossen und damit an Schlagkraft gewonnen.

Frankreich bestreitet mit seinen 58 Atomkraftwerken gut drei Viertel des heimischen Stromverbrauchs. Dies ist der höchste Anteil weltweit. Die Betreiber rechnen damit, dass die Atommeiler der zweiten Generation ab 2015 allmählich abgeschaltet werden müssen. Bis 2012 will die Pariser Regierung daher einen Reaktor der neuen Druckwasser-Generation errichten, wie er nach einem zwischen den Berliner Koalitionspartnern umstrittenen Geschäft bis 2009 bereits in Finnland gebaut werden soll. Der „European Pressurized Water Reactor” (EPR) ist ein Gemeinschaftsprojekt der Pariser Atomgruppe Areva und des deutschen Siemens-Konzerns. Sowohl bei den Betreibern als auch bei den Atomkraftgegnern arbeiten Deutsche und Franzosen also Hand in Hand.

Im Vergleich zu Deutschland war die Anti-Atom-Bewegung in Frankreich traditionell eher schwach und konnte nur selten Großdemonstrationen auf die Beine stellen. Immerhin 30.000 Teilnehmer strömten jedoch 1997 im westfranzösischen Nantes zusammen, um ein Reaktor-Neubauprojekt zu stoppen. Die AKW-Gegner in Deutschland bescheinigen den Partnern im Nachbarland, dass ihre Aktionen an Kraft gewonnen haben. So gebe es inzwischen bei Castor-Transporten zwischen Deutschland und Frankreich auf beiden Seiten Atommüll-Blockaden. „Lange Zeit lief das ein bisschen nebeneinander her”, sagt Stefan Scheloske vom Atomplenum Hannover. „Das hat sich in den letzten Jahren geändert.”

Der Protestzug, der am Samstagnachmittag am Republik-Platz im Pariser Osten beginnen soll, wurde denn auch als „Europäische Demonstration” angekündigt. Dutzende Organisationen von Dänemark bis Ungarn und von Spanien bis Finnland sprachen sich im Aufruf zu der Demonstration für den „Verzicht auf jegliches Projekt zum Bau neuer Atomkraftwerke”, „die unverzügliche Einführung eines ambitionierten Plans zum Energiesparen” und die Entwicklung erneuerbarer Energien aus. Aber die größte Unterstützung erhält das französische Netzwerk ganz offensichtlich aus Deutschland.

Erhöhten Zulauf könnte die Demonstration auch deshalb verzeichnen, weil vor wenigen Tagen erhebliche Sicherheitsmängel an Frankreichs Atomkraftwerken bekannt wurden. Die Pariser Atomaufsicht monierte Konstruktionsfehler im Notkühlsystem – und stufte die Mängel auf der siebenstufigen Störfall-Skala mit Niveau 2 ein. Der Aufsichtsbehörde zufolge könnten „in bestimmten Störfallsituationen” wie beim Bruch aller Leitungen im Primärkreislauf die Filteranlagen verstopfen. Dann werde unter Umständen nicht sofort ausreichend Wasser ins Kühlsystem gepumpt, um ein Überhitzen des Reaktorkerns zu verhindern. „Sortir du nucleaire” warnte vor einem „französischen Tschernobyl”.

Unter Experten ist umstritten, ob in Frankreich überhaupt schon in wenigen Jahren neue Reaktoren gebaut werden müssen. Der EPR-Reaktor sei „unnütz”, erklärt der Energie-Techniker Bernard Laponche in einem Bericht für die Vereinigung Global Chance. Vor 2025 müsse in Frankreich kein neues Atomkraftwerk gebaut werden, bis dahin aber werde es neue Verfahren geben und der EPR sei bereits wieder veraltet.

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