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Großdemonstration in Rom

Der seit Monaten andauernde Streit um die Pensionsreform in Italien hat am Samstag Hunderttausende Italiener in Rom auf die Straßen gebracht.

Eine riesige Menschenmenge beteiligte sich an der Demonstration, zu der die Gewerkschaften in den vergangenen Wochen aufgerufen haben. Die Demonstration folgt einem vierstündigen Generalstreik am 24. Oktober, dem sich laut Organisatoren zehn Millionen Personen angeschlossen hatten. Spitzenpolitiker der Opposition und Gewerkschaftschefs führten den Protestzug, der die italienische Hauptstadt lahm legte, an.

Die Stabilität und der soziale Frieden, die der italienische Regierungschef Silvio Berlusconi nach seinem Wahlsieg bei den Parlamentswahlen im Mai 2001 versprochen hatte, klingen wie leere Slogans: Die Umsetzung seines wirtschaftlichen und sozialen Reformprogramms bereitet dem Mailänder TV-Tycoon wegen des hartnäckigen Widerstands der Gewerkschaften unerwartet große Schwierigkeiten. Die Parole, die der Linken nach einer tiefen Identitätskrise wieder Schwung verleiht, lautet: „Hände Weg von den Arbeiterrechten!”

Die Gewerkschaften wehren sich gegen Berlusconis Projekt, die Frühpensionen abzubauen und die Italiener zu zwingen, ab 2008 mindestens fünf Jahre länger zu arbeiten. Sie behaupten, die Krise des italienischen Pensionswesens sei nicht so akut, wie sie die Regierung darstelle. Die 1995 eingeleiteten Einsparungen im Wohlfahrtsstaat genügen ihrer Ansicht nach, um dem italienischen Sozialwesen seine Zukunft zu sichern.

Berlusconi, der Österreich kürzlich wegen seiner jüngst durchgeführten Pensionsreform als Vorbild genannt hatte, steht eine schwierige Aufgabe bevor. Er muss Italien von einem Rentnerparadies in ein Land umwandeln, in dem alle Arbeitnehmer mindestens bis 65 Jahre (Männer) bzw. 60 Jahren (Frauen) im Arbeitsprozess bleiben. Vergebens versuchte der Premier, den Gewerkschaften in den vergangenen Wochen klar zu machen, dass die Pensionsreform wegen der Verschuldung der staatlichen Fürsorgeanstalt Inps und der alternden Bevölkerung unumgänglich sei.

„Die Regierung wird diese Demonstration nicht ignorieren können. Die Italiener streiken gegen die Wirtschaftspolitik der Regierung, die die Arbeitnehmer in einer schwierigen Phase immer mehr unter Druck setzt”, kommentierte der Chef des Gewerkschaftsverbands CISL, Savino Pezzotta, der einen Protestzug im Zentrum von Rom führte. Laut jüngsten Meinungsumfragen wehren sich 58,5 Prozent der Befragten gegen die Erhöhung des Ruhestandsalters.

„Geschlossen können wir die Regierung Berlusconi stürzen”, kommentierte der Chef der Italienischen Kommunisten, Armando Cossutta. Die Gewerkschaften drohten mit weiteren Protestaktionen, sollte die Regierung Berlusconi ihre Reformpläne nicht rückgängig machen. Der Unternehmerverband „Confindustria”, der die Reformprojekte der Regierung befürwortet, spielte dagegen den Erfolg der Massenmobilisierung herunter.

Die Pensionsreform sorgt seit Jahren für Spannungen in Italien. Die Gewerkschaften hatten bereits im November 1994 einen Generalstreik gegen die von der ersten Regierung Berlusconi geplante Pensionsreform veranstaltet. Wegen des Massenprotests musste Ministerpräsident Berlusconi seine Reformpläne einfrieren. Wenige Wochen später stürzte die Regierung unter dem Druck tief greifender Konflikte mit Berlusconis Koalitionspartner Lega Nord.

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