“Die Probleme, die wir jetzt haben, sollen meine Enkelkinder nicht mehr haben. Deshalb reden wir heute”, leitete Ethem Şahin vom Alevitischen Kulturverein die Podiumsdiskussion über Zuwanderung ein. Seltene parteiübergreifende Einigkeit bei Sachpolitik zeigte sich dann den Zuschauern im vollen Saal des Vereins am Freitagabend. Kurt Fischer (ÖVP), Silvia Benzer (FPÖ), Vahide Aydin (Grüne), Gabi Sprickler-Falschlunger (SPÖ) und Şahin diskutierten unter der Leitung von Kurt Greussing vor allem über Wohnungs- und Bildungspolitik.
Gesamtschulen gefordert
Beim Thema Bildung zeigte sich eine breite Front für Gesamtschulen. Man selektiere viel zu früh, was insbesondere für Migranten Nachteile bringe, erklärte Aydin. “Ich bin für Gesamt- und Ganztagsschulen”, sagte Benzer. Dass diese Position innerhalb ihrer Partei umstritten ist, spricht sie offen aus. Und auch ÖVP-Bürgermeister Fischer konterte nicht: “Wir lassen die gesamte integrative Last bei den Mittelschulen. An Gymnasien sind es wenige Prozent an migrantischen Schülern, an Hauptschulen sind es 30, 40 oder 50 Prozent. Das kann nicht sein.” Wie man die Modelle nennen würde, sei ihm egal. “Ich bin es leid. Was wir jetzt haben, kann nicht die Lösung sein.” Ganztagsstrukturen seien wichtig. Sprickler-Falschlunger pflichtete ihm bei und verwies auf den laufenden Pilotversuch. Ursachen dafür, dass Migranten überproportional oft in schlecht bezahlen Jobs landen, sieht sie aber nicht nur in der Ausbildung: “Gut ausgebildete Türken verlassen das Land, weil sie diskriminiert werden. Dieses Problem halte ich jetzt für viel größer als früher.” Dass beim Thema Wohnen die größten Probleme in den älteren, großen gemeinnützigen Wohnanlagen lägen, war Konsens. Eine Lösung, die auch unlängst im Integrationsausschuss angedacht wurde, wären entsprechend geschulte Sozialarbeiter in den Siedlungen. “Wir müssen Geld in die Hand nehmen. Es braucht einen Topf, in den alle Gemeinden einzahlen”, forderte Benzer. Nach Sprickler-Falschlunger sollten das Land zwei Drittel, die Gemeinden ein Drittel einzahlen. Und auch Fischer wollte einen “Solidarbeitrag der Gemeinden”. “Man darf es nicht kleinreden, aber wir haben kein reines Ausländerproblem. Probleme in den Siedlungen gab es, bevor jemals ein türkischer Zuwanderer dort gewohnt hat”, gab Sprickler-Falschlunger zu bedenken.
“An Verfassung orientieren”
Bei so viel Übereinstimmungen am Podium stellte sich auch für Diskussionsleiter Greussing die Frage: “Es scheint, dass wir hier eine Große Koalition der Vernunft hätten. Wenn das so klar ist, wieso gibt es keine parteiübergreifende Initiative?” Da hatte die Einigkeit dann doch ein Ende. “Weil es nach wie vor eine Partei gibt, die es blockiert. Es fehlt der Mut der ÖVP zu sagen, wohin es geht”, antwortete Benzer. Fischer sah diesen aber nicht im Land: “Auf Bundesebene fehlt der Mut.” Und er warnt auch vor gefährlichen Instrumentalisierungen der FPÖ: “Man kann mit Kreuzen herumlaufen wie Strache in Wien.” Grünen-Politikerin Aydin: “Der Dialog soll sich nicht an den Werten einer Religion orientieren, sondern an der Verfassung.” Worauf Benzer erwiderte: “Wir sind nun einmal eine gewachsene christliche Gesellschaft. Aber es geht nicht darum, Religionen gegeneinander auszuspielen.” Das hatte einen empörten Ruf aus dem Publikum zur Folge: “Genau das macht aber die FPÖ!” Klare Worte fanden an diesem Abend die Zuschauer, die fehlende Akzeptanz, ausgrenzende Wahlkampfparolen oder überforderte Lehrer als wichtigste Integrationsprobleme identifizierten. Der Weiler Bürgermeister Dietmar Summer erinnerte auch an die Finanzierung. “Wir haben hier einige Lösungsansätze präsentiert bekommen. Aber in der Gemeinde schaffen wir es kaum, die laufenden Ausgaben zu bewältigen.” Es brauche gegenseitiges Verständnis. “Man muss Schritt für Schritt aufeinander zugehen. Ich habe Verständnis dafür, dass es vielen zu langsam geht, aber auch für jene Vorarlberger, denen es zu schnell geht.”