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Große Bankenübernahme

Das britische Geldinstitut Barclays will in der größten Bankenübernahme aller Zeiten den niederländischen Rivalen ABN Amro kaufen.

Beide Seiten einigten sich nach wochenlangen Verhandlungen auf ein gut 67 Mrd. Euro schweres Angebot. Durch den Zusammenschluss steigt Barclays-ABN zur fünftgrößten Bank der Welt auf. Der Deal hat auch Folgen für die Belegschaft: Jeder zehnte der knapp 220.000 Mitarbeiter dürfte seinen Job verlieren.

Verglichen mit der Übernahme der deutschen HypoVereinsbank und Bank Austria Creditanstalt durch die italienischen UniCredit ist der Deal fast fünf Mal so groß. Das neue Branchen-Schwergewicht mit 47 Mio. Kunden rund um den Globus dürfte auch die im europäischen Vergleich hinterher hinkenden deutschen Geldhäuser weiter unter Druck setzen.

Das Barclays-Offert sei die „beste Option“ für das zuletzt von Hedge-Fonds bedrängte niederländische Geldhaus, sagte ABN-Chef Rijkman Groenink am Montag. Allerdings werde sich das Management weiter auch Angebote anderer Häuser anhören. Damit spielte er auf ein Konsortium aus der Royal Bank of Scotland (RBS), des belgisch-niederländischen Fortis-Konzerns und der spanische Bank Santander an. Dieses erwägt ebenfalls ein Angebot, um ABN in der Folge aufzuspalten.

Barclays-Chef John Varley, der auch an der Spitze der fusionierten Bank stehen soll, zeigte sich aber zuversichtlich für sein Offert. „Ich vertraue darauf, dass wir erfolgreich sein werden“, sagte er. „Das ist eine Traum-Paarung.“ Noch am Montag wollte sich die ABN-Führung zu einem bereits vor der Einigung mit Barclays vereinbarten Gespräch mit Vertretern der Gruppe um RBS treffen.

Sollte es zu der Fusion mit Barclays kommen, werden die Aktionäre der Briten an der fusionierten Bank rund 52 Prozent der Anteile halten. Das neue Institut soll Barclays PLC heißen und nach britischem Recht organisiert sein. Das Aktientausch-Offert bewertet die Papiere von ABN mit 36,25 Euro – rund ein Drittel mehr als das Papier vor dem Bekanntwerden der Verhandlungen über einen Zusammenschluss kostete. Die Marktkapitalisierung beträgt rund 142 Mrd. Euro. Bezahlen wollen die Briten mit frischen Aktien. Finanziert wird die Übernahme in Teilen durch einen bereits vereinbarten Verkauf der in Chicago ansässigen ABN-Tochter LaSalle an die Bank of America. Hier ist ein Preis von 21 Mrd. Dollar (15,5 Mrd. Euro) geplant, von dem mehr als die Hälfte (zwölf Mrd. Dollar) über Aktienrückkäufe an die Anteilseigner zurückfließen sollen.

Bis 2010 rechnen Barclays und ABN Amro durch den Zusammenschluss mit jährlichen Synergien von 3,5 Mrd. Euro vor Steuern, der Gewinn soll im gleichen Zeitraum um fünf Prozent wachsen. Vier Fünftel der Synergien sollen durch Kosteneinsparungen erzielt werden. Unter dem Strich ist die Streichung von insgesamt 23.600 Stellen geplant – beide Häuser beschäftigen in Summe etwa 217.000 Mitarbeiter. Die meisten Jobs sollen nach Gewerkschaftsangaben in Großbritannien, Spanien und Italien wegfallen.

Die Fusionsgespräche zwischen ABN und Barclays hatte der Hedge-Fonds TCI ausgelöst, der Anfang des Jahres wegen schwacher Renditen für eine Aufspaltung der Bank plädiert hatte. Zu dem nun vorgelegten Barclays-Offert äußerte sich TCI vorerst nicht. ABN-Aktien lagen am Montag 1,3 Prozent im Plus bei 36,74 Euro, Barclays-Titel verloren 1,5 Prozent auf 7,39 Pfund.

Durch die Fusion geraten die deutschen Banken im internationalen Vergleich weiter ins Hintertreffen. Schon heute schafft es Branchenprimus Deutsche Bank gemessen an der Marktkapitalisierung nicht mehr unter die zehn größten Häuser Europas. Bankchef Josef Ackermann wiederholt stets, Größe sei aber kein Wert an sich. Zudem erteilte er Großfusionen der Deutschen Bank mehrfach eine Absage. Zuletzt war spekuliert worden, der US-Rivale Citigroup habe ein Auge auf die Frankfurter geworfen. Deutsche Bank und Commerzbank wollten den Zusammenschluss im Nachbarland nicht kommentieren.

Der Bankenverband forderte indes indirekt erneut eine Öffnung des Sparkassen-Sektors für private Investoren. „Wenn der Bankenmarkt Deutschland im europäischen und internationalen Wettbewerb mithalten beziehungsweise aufschließen soll, bedarf es dringend einer Modernisierung des deutschen Bankensystems“, erklärte BdB-Hauptgeschäftsführer Manfred Weber. Deutlicher wurde ein Frankfurter Banker. „Ich glaube schon, dass wir einen deutlichen Druck im deutschen Bankensystem haben“, sagte er. „Vielleicht öffnet der Zusammenschluss von ABN und Barclays dem ein oder anderen die Augen.“

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