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"Grenzenlose" Schengen-Erweiterung

Obwohl die Beitritte der neuen EU-Staaten zum Schengen-Raum zu einer verschärften Schutz der EU-Außengrenze führen soll, ist dafür nicht einmal eine klar geregelte Grenze erforderlich.

So hindert das Fehlen eines Grenzvertrages mit Russland die beiden baltischen Republiken Erstland und Lettland nicht daran, am Schengen-Raum teilzunehmen. Die Bürger der beiden baltischen Republiken können demnach schon Ende 2007 ohne Binnen-Grenzkontrollen innerhalb der Europäischen Union reisen, wenn die EU-Innenminister am vereinbarten Fahrplan festhalten.

EU-Justizkommissar Franco Frattini hat selbst vergangenen Sommer bei einem Besuch in Estland erklärt, der fehlende Grenzvertrag mit Moskau sei „kein Problem, weder für die Stärkung des Grenzschutzes an Estlands Außengrenzen, noch für die Erweiterung des Schengen-Raums in Richtung Estland“. Experten in der EU-Kommission betonen, es sei zwar wichtig, dass es effektive Grenzkontrollen und Überwachungen gebe, aber es sei nicht erforderlich, dass diese an einer speziellen und vereinbarten Grenzlinie durchgeführt werden. Sie könnten auch einige Kilometer hinter einer solchen Grenzlinie erfolgen.

Weigerung Russlands

Im Fall Lettlands hat der große Nachbar Russland die Unterzeichnung eines Abkommens, das alle Fragen der 217 Kilometer langen Grenze nach jahrelangen Verhandlungen geregelt hätte, vor zwei Jahren verweigert. Grund dafür war eine einseitige Erklärung der Rigaer Regierung, die auf die staatliche Kontinuität mit der ersten unabhängigen Republik Lettland in den Grenzen vor 1940 Bezug nahm. In Moskau wurde dies als als möglicher Gebietsanspruch gesehen. Das benachbarte Estland hat 2005 einen Grenzvertrag mit Russland bereits unterzeichnet. Weil aber auch das Parlament in Tallinn dazu eine „Präambel“ verabschiedete, die auf das Estland der Vorkriegszeit verwies, zog Moskau seine Unterschrift unter das Abkommen zurück. Estland und Lettland gehörten ebenso wie Litauen zwischen 1940 und 1991 rund 50 Jahre lang der Sowjetunion an.

„Obwohl die Grenzverträge zwischen Estland und Russland nicht von Russland ratifiziert wurden, funktioniert die Grenze zwischen den beiden Ländern gut“, sagte die Sprecherin der estnischen EU-Botschaft in Brüssel, Riia Salsa, gegenüber der APA. „Die Zusammenarbeit zwischen den estnischen und russischen Zoll- und Polizeibehörden ist sehr gut.“

Ganz ohne Probleme ging auch die praktische Zusammenarbeit an der Grenze nicht immer von statten. Finnland, Estland und Lettland hatten sich erst im November bei einem Gipfel der EU mit Russlands Präsident Wladimir Putin darüber beklagt, dass die langwierige Zollabfertigung von Lkw nach Russland zu kilometerlangen Staus in ihren Grenzregionen führt.

Die EU-Kommission hat sich bisher aus dem Grenzkonflikt zwischen den baltischen Staaten und Russland rausgehalten. EU-Außenkommissarin Benita Ferrero-Waldner hatte zwar in der Vergangenheit eine schnelle Lösung eingefordert, da es sich auch um eine EU-Außengrenze handelt. Allerdings müsse der Grenzstreit bilateral zwischen Moskau und den baltischen Staaten gelöst werden, hat die EU bisher immer klar gemacht.

EU-Diplomaten in Brüssel betonen, die Grenzziehung von Estland und Lettland werde mit Ausnahme von Russland international anerkannt. Völkerrechtlich ist damit aber auch die EU-Außengrenze nicht klar fixiert. Es gebe auch jetzt schon eine „De-facto-Grenze“ mit eigenen Grenzübergängen, betonten EU-Diplomaten weiters. Von Seiten Lettlands zeigt man sich in Brüssel überzeugt, dass sich die Standpunkte gegenüber Russland noch annähern werden und ein gültiger Grenzvertrag unterzeichnet werde. Die Vorbereitung auf den Schengen-Beitritt sei gut unterwegs. Probleme vor Ende 2007 erwarte Riga keine, sagte eine lettische Diplomatin.

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