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Grenzüberschreitende Scheidungsregeln für 14 EU-Staaten kommen

Die EU-Justizminister haben am Freitag in Luxemburg erstmals die Möglichkeit einer verstärkten Zusammenarbeit im Fall von grenzüberschreitenden Scheidungen beschlossen. Eine entsprechende Ermächtigung für 14 EU-Länder zur Umsetzung wurde mit der notwendigen qualifizierten Mehrheit angenommen. Neben Österreich nehmen Deutschland, Belgien, Bulgarien, Frankreich, Italien, Lettland, Luxemburg, Malta, Rumänien, Slowenien, Spanien, Ungarn sowie laut Justizministerin Claudia Bandion-Ortner (V) auch das zuletzt noch dazugekommene Portugal an der verstärkten Kooperation teil.
Chaos bei EU- Justizministerrat
Bandion- Ortner: Aufeinanderprallen von Meinungen

Dabei geht es nicht nur um Eheleute unterschiedlicher Nationalitäten, die sich trennen wollen, sondern auch gleicher Nationalitäten, wenn das Paar in einem anderen EU-Land wohnt. Ziel der Maßnahme ist, den Gerichtshöfen in den EU-Ländern Kriterien dafür vorzulegen, welches nationale Scheidungsrecht anzuwenden ist. Damit soll ein “Litigation Shopping” vermieden werden, bei dem die Ehepartner versuchen, die jeweils größten Vorteile für sich herauszuschlagen, indem jeder den für ihn günstigsten Gerichtsstandort wählt.

Bandion-Ortner zeigte sich im Gespräch mit der APA überzeugt, dass noch mehr Länder dazu kommen wollen – “weil es Vorteile bringt”. Und je mehr Länder teilnehmen, “umso besser. Das bringt mehr Rechtssicherheit.” Außerdem sei es wichtig, wenn Scheidungsrecht nicht “undurchschaubar” werde. Mit der größeren Klarheit würden auch die schwächeren Partner in einer Ehe – meist Frauen – besser geschützt.

Erstmals in der Geschichte der EU wurde damit offiziell eine “abgestufte Integration” beschlossen: Einige Mitglieder können enger zusammenarbeiten, wenn sie wollen, als andere. Dieser Mechanismus ist im neuen Vertrag von Lissabon streng geregelt. Verstärkte Zusammenarbeit ist nur dann erlaubt, wenn ein Vorhaben auf allgemeiner EU-Ebene unerreichbar ist. Zudem muss die Kooperation den Zielen der Union dienen, es müssen sich mindestens neun Mitgliedsstaaten beteiligen und andere Länder sich jederzeit anschließen können. Kritiker sehen darin ein “Europa der zwei Geschwindigkeiten”.

Chaos und Streit herrschten in Luxemburg zum Thema Europäische Schutzanordnung: Obwohl sich im politischen Ziel, verfolgten Frauen über die Grenzen hinweg zu helfen, alle einig waren, artete die Debatte zu einem veritablen Konflikt über die juristischen Probleme aus. EU-Justizkommissarin Viviane Reding versuchte eine Sitzungsunterbrechung zu erreichen. Der spanische Ratsvorsitzende Justizminister Francisco Caamano Dominguez ließ aber trotz Bedenken nicht nur der Kommissarin, sondern auch einiger anderer Staaten, unter anderem Österreich, Reding mit ihrem Antrag kalt abblitzen.

Konkret geht es bei der Schutzanordnung darum, dass eine beispielsweise von ihrem Ex-Mann verfolgte Frau, die in einem Land schon eine Schutzanordnung – in Österreich etwa ein polizeiliches Betretungsverbot – erwirkt hat, in einem anderen EU-Staat ebenfalls denselben Schutz bekommt. Die Probleme liegen darin, dass die EU-Staaten teils unterschiedliche Rechtssysteme haben. So fällt dieser Bereich in einem Land ins Strafrecht, im anderen ins Zivilrecht und bei einem dritten ins Verwaltungsrecht.

Justizministerin Bandion-Ortner erklärte, sie sehe derzeit nicht die Voraussetzung für ein offizielles Mandat des Rates, das Thema an das EU-Parlament weiterzuleiten. Großbritannien wartet beim Gewaltschutz ab; so fehlt die erforderliche qualifizierte Mehrheit im Rat. Caamano Dominguez räumte mehr Zeit für London ein; will den Bericht aber trotz der Kritik ans EU-Parlament weiterleiten. Die EU-Kommission hatte zuletzt noch vorgeschlagen, nur auf das Strafrecht abzustellen. Die Hoffnung ist, dass in einem schrittweisen Prozedere dann die übrigen Bereiche ebenfalls geregelt werden können.

Die Justizminister der Mitgliedstaaten gaben am Freitag auch Grünes Licht für einen Richtlinienentwurf, welcher der grenzüberschreitenden Zwangsprostitution und Ausbeutung von Schwarzarbeitern einen Riegel vorschieben soll. Der Vorschlag der EU-Kommission zur Verschärfung des Kampfes gegen den Menschenhandel sieht ein Vorgehen an zwei Fronten vor: Bei der Strafverfolgung von Schleppern und ihren Hintermännern und beim Opferschutz. Die EU-Justizminister einigten sich zudem auf eine Stärkung der Rechte mutmaßlicher Straftäter. Wer im europäischen Ausland Ärger mit der Justiz bekommt, hat demnach künftig das Recht auf Erläuterungen in seiner Muttersprache. Eine entsprechende Richtlinie macht das Dolmetschen und Übersetzen im gesamten Strafverfahren zur Pflicht. Auch bei Polizeiverhören soll ein Beschuldigter oder Angeklagter demnach einen Dolmetscher zur Seite gestellt bekommen. Das Europaparlament muss in Sachen Menschenhandel und Verdächtiger erst zustimmen.

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