Keine queere "Hüttengaudi" beim Grazer "Aufsteirern"

"Unsere Lebkuchenherzen sind schon im Backofen - umso größer war unsere Verwunderung, als wir aus der 'Kronen Zeitung' erfahren mussten, dass unsere geplante Teilnahme am diesjährigen 'Aufsteirern' in Graz abgesagt werden soll. Einen offiziellen Brief oder eine Mitteilung seitens des Landes Steiermark hatten wir bis dahin nicht erhalten", hieß es in einer Stellungnahme auf der Website der RosaLila PantherInnen. "Wir sind darüber sehr traurig - verstehen aber, dass die Agentur (Ivents; Anm.) angesichts der massiven öffentlichen Förderung durch das Land Steiermark in Höhe von mehreren hunderttausend Euro de facto keine andere Wahl hatte, als unserer Teilnahme zu widersprechen." Die Agentur habe aber angeboten, etwaige Stornokosten zu übernehmen.
Was und wer ist Teil von Tradition und Kultur?
Für Niedermayer stellt sich - neben der Enttäuschung über die Absage - nun aber die Frage, was denn Tradition sei. Denn laut "Kronen Zeitung", der ein Schreiben des Landes Steiermark offenbar vorliegt, sei "der volkskulturelle Mehrwert des Vereins 'RosaLila PantherInnen' in diesem Kontext nicht erkennbar und kann durchaus in anderen dafür vorgesehenen Veranstaltungsformaten Platz finden". Niedermayer kontert: "Das Aufsteirern-Festival gibt es seit 2002 - die RosaLila PantherInnen sind bereits seit 1991 Teil der steirischen Gesellschaft. Wir sind somit ebenso Tradition und Kultur in der Steiermark. Seit über drei Jahrzehnten setzen wir uns für Sichtbarkeit, Vielfalt und ein respektvolles Miteinander ein."
Umso unverständlicher sei es für den Verein, "dass schwule, lesbische oder andere queere Menschen offenbar nicht Teil der steirischen Volkskultur sein sollen". Es gehe darum zu zeigen, dass "die steirische Kultur bunt, vielfältig und offen ist - und dass auch queere Menschen selbstverständlich Lederhose und Dirndl tragen, Volksmusik hören, Bratlfettnbrot essen und Brauchtum leben." Genau das war geplant: Eine Hütte, wo natürlich Lederhose und Dirndl getragen wird, und österreichisches Bratlfettnbrot, Lebkuchenherzen, Bier, Wein und Liköre verkauft werden. "Volkskultur lebt nicht von Ausschluss, sondern von Teilhabe, Vielfalt und Gemeinschaft. Unser Stand wäre ein Symbol dafür gewesen, dass Brauchtum von allen und für alle Menschen in der Steiermark da ist", so Niedermayer.
KPÖ spricht von politischem Machtmissbrauch
KPÖ-Klubobfrau Claudia Klimt-Weithaler bezeichnete das Vorgehen als "Frechheit": "Es ist völlig inakzeptabel, dass Blau-Schwarz nun scheinbar glaubt, darüber bestimmen zu können, wer bei einer steirischen Veranstaltung teilnehmen darf und wer nicht - und das, obwohl das Festival gar nicht vom Land, sondern von einer Kulturagentur organisiert wird. Die Begründung, der volkskulturelle Mehrwert sei nicht erkennbar, ist fadenscheinig und schlichtweg diskriminierend." Mit der Absage werde "politische Macht missbraucht und Menschen bewusst ausgeschlossen". Die KPÖ forderte eine sofortige Rücknahme der Absage.
"Die queere Community ist Teil unserer Kultur - das soll auch beim Aufsteirern sichtbar sein und nicht zum Politikum gemacht werden", so die Grüne Gemeinderätin Anna Slama in einer Aussendung. Landeshauptmann Mario Kunasek (FPÖ) teilte indessen auf Facebook mit: "Das Aufsteirern
Auf APA-Nachfrage zeigte sich Koalitionspartner ÖVP irritiert. Das steirische ÖVP-Regierungsteam teilte mit: "Das Aufsteirern Festival ist ein Projekt, das aus dem Volkskultur-Ressort gefördert wird. Die Zuständigkeit dafür liegt beim Landeshauptmann. Eine Einbindung in diese Entscheidung seitens des ÖVP-Regierungsteams hat aus diesem Grund nicht stattgefunden." Die steirische JVP stellt sich sogar offen hinter die RosaLila PantherInnen: "Als größte politische Jugendorganisation des Landes verurteilt die Junge ÖVP das Verbot der Hütte aufs schärfste." Landesobfrau Bundesrätin Antonia Herunter zeigte sich schockiert: "Die Steiermark ist ein buntes und vielfältiges Bundesland - sowohl in unseren Trachten als auch den Menschen. Dass Landeshauptmann Kunasek bei einem privaten Veranstalter interveniert, um Menschen auszugrenzen, ist inakzeptabel und schwerstens zu verurteilen." Die JVP lud daher die RosaLila PantherInnen am Aufsteirern-Sonntag zum Austausch ins Büro im Parteihaus ein.
Für SPÖ-Gleichbehandlungssprecher Mario Lindner sei die Absage nicht nur ein demokratiepolitischer Skandal: "Der neue Landeshauptmann stellt seine Parteiideologie und plumpe Symbolpolitik über den Zusammenhalt in der Steiermark." Der Grazer NEOS-Gemeinderat Philipp Pointner meinte, es dürfe keine "ideologiegetriebene Kulturpolitik auf Kosten der Vielfalt" geben: "Das, was wir aus Ungarn unter Viktor Orbán kennen, darf in der Steiermark keinen Platz haben. Graz muss als Austragungsort klar festhalten: Volkskultur lebt von Vielfalt und Teilhabe, nicht von Ausschluss."
Neue Schauplätze
175.000 Besucherinnen und Besucher werden am zweiten Septemberwochenende beim größten Volkskulturfest der Steiermark erwartet. Von 12. bis 14. September wird die gesamte Grazer Innenstadt zur Bühne. Nach einer unwetterbedingten Pause im Vorjahr ist die Landeshauptstadt heuer zum 24. Mal Schauplatz für Musik, Tanz, Handwerk und Kulinarik. Schon am Freitag, 12. September, bietet das "Aufsteirern" eine Premiere: Die Grazer Philharmoniker und Herbert Pixner spielen ein Eröffnungskonzert am Abend in der Oper Graz.
Am Jakominiplatz wartet ein neues kulinarisches Schmankerl: Im "Steingarten"-Innenhof wird ein Biergarten geboten. Neben dem Innenhof zählen auch zwei Gassen zu den neuen Schauplätzen des Volksfests. In der Landhausgasse werden steirische Spezialitäten angeboten. In der Jungferngasse präsentiert die steirische Jägerschaft ihre wilde Kulinarik und einen Selfie-Hochsitz. Insgesamt rund 900 Musikerinnen und Musiker, 350 Tänzer und 200 Ausstellerinnen werden 17 Grazer Plätze, Straßenzüge und Höfe bespielen. Erstmals wird das gesamte "Aufsteirern"-Gebiet zur "SafeNow"-Zone. In dem fünf Hektar großen Areal kann in der kostenlosen App "SafeNow" Hilfe gerufen werden. Bei Kreislaufproblemen, Konflikten oder wenn Kinder verloren gehen, sind so in kürzester Zeit Einsatzkräfte am Standort der Betroffenen.
(S E R V I C E - )
(APA)